Nach einem ausgiebigen und ausgezeichneten Frühstück kommen wir kurz vor 09:00 in die Lobby. Unser Guide für Udaipur wartet schon brav und kommt gleich auf uns zu, kaum dass er uns erblickt. Die Begrüßung erfolgt auf Deutsch, jedoch hat er leider seinen Namen so genuschelt, dass er der einzige unserer Führer ist, der namenlos bleibt.
Vor der Türe wartet auch schon Mr. Jogindar mit dem Wagen und wir starten unsere Besichtigungstour. Udaipur ist wirklich anders als alle Städte Rajasthans, die wir bisher gesehen haben. Waren diese trocken und eher staubig, so gibt es hier Wasser, Wasser und nochmals Wasser. Dementsprechend ist auch die Vegetation in der Stadt sehr üppig.
Unterwegs erzählt uns unser Guide, dass Udaipur auch eine sehr reiche Stadt ist. Es gibt viele Universitäten, in welche Studenten aus nah und fern zur Ausbildung kommen. Öffentliche Krankenhäuser sind hier zu finden und genug Arbeitsplätze. Jeder der will, findet etwas zu tun und bekommt dafür Lohn, so dass man kaum Bettler auf den Straßen sieht.
An einer Stelle am Pichola-See halten wir kurz an, um die Lustinsel Jag Mandir, auf die man hier einen sehr schönen Blick hat, zu fotografieren. Das erinnert uns gleich, dass wir ja auch noch nach einer Bootsfahrt fragen wollten. Gedacht - getan. Kein Problem, unser Guide wird uns Tickets für den Spätnachmittag organisieren.
Jagdish Tempel |
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Jagdish Tempel |
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Durch enge, verwinkelte und steile Gässchen der Altstadt fahren wir zum Jagdish Tempel. Kaum haben wir die hohen Stufen erklommen und unsere Sandalen von den Füßen gestreift, als auch schon eine große Bronzeglocke am Eingang geschlagen wird.
Es ist jetzt Gottesdienst und Gläubige aus der Umgebung strömen in den Tempel. Vor uns wird der Schrein geöffnet und wir sehen eine schwarze Statue von Vishnu, dem Welterhalter, dem dieser Tempel geweiht ist.
Ein Priester schlägt unaufhörlich mit der linken Hand eine Glocke, während er mit der rechten Hand verschiedene Elemente in rituellen Bewegungen hin und her schwenkt. Neben dem Öllämpchen können wir auch eine mit Wasser gefüllte Muschel erkennen.
Jagdish Tempel |
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Wir wollen die Gläubigen, die inbrünstig singen, nicht stören und versuchen, uns ein wenig auf die Seite zu stellen. Doch ganz selbstverständlich werden wir in die Mitte geschubst und in dieser Gemeinschaft aufgenommen. Ein sehr schönes Erlebnis.
Als der Gottesdienst zu Ende ist, machen wir noch eine Runde um dem Tempel, um die vielen Marmorschnitzereien zu bewundern und zu fotografieren. Dann gehen wir zu Fuß die wenigen Schritte zum Stadtpalast hinauf.
Um 1600 ließ Udai Singh, auf den auch der Name der Stadt Udaipur zurückgeht, mit dem Bau des Palastes beginnen. Die Erweiterungen wurden von seinen Nachkommen bis ins 20. Jahrhundert fortgesetzt, so dass sich Gebäude unterschiedlichster Baustile und Epochen zusammenfügen.
Heute ist der Stadtpalast dreigeteilt - ein Teil ist LuxusHotel, ein Teil dient als Museum und der dritte Teil wird vom Maharana und seiner Familie bewohnt. Da unser Guide ein Rauchpäuschen braucht, haben wir inzwischen genug Zeit und Gelegenheit, uns die Außenfassade ausführlich anzusehen.
Wir betreten den Museumsteil des Palastes und bleiben vor ein paar Fotos stehen. Der Maharana von Udaipur hat 2005 einen internationalen Preis für die Erfindung solarBetriebener Fahrzeuge gewonnen. Leider verwendet diese kaum ein Inder, da sie viel zu teuer sind. Aber die Auszeichnung haben wir immerhin besichtigt!
Wir sehen uns eine Sammlung schön verzierter, antiker Waffen an und stehen schließlich vor einer riesigen Ahnentafel. Es handelt sich hier um den zweitlängsten Stammbaum der Welt, der die Linie der Maharana von Udaipur darstellt. Nur die Chinesen haben eine noch längere Ahnentafel mit weit über 70 Einträgen.
Der Titel Maharana bedeutet übrigens großer Krieger und rührt daher, dass manche der kleinen Fürstentümer nie besetzt sondern immer frei waren. Diese Unabhängigkeit wurde von den Maharanas verteidigt.
In der Gemäldegalerie sehen wir viele der detailreichen Miniaturmalereien, für die Udaipur so berühmt ist. Auch eine Darstellung des Ortes an dem Udai Singh einen Hasen erlegt hat - ein gutes Omen - sowie des Platzes an dem ein Mönch ihm prophezeit hat „Hier bau Dein Haus und Du wirst glücklich” fehlen natürlich nicht.
Die meisten der Gemälde sind als eine Art Miniatur-Comics ausgeführt und stellen viele Szenen in einem Bild dar. Ein Pferd fällt fast in der Schlacht und rettet den Herrscher, ein Tiger wird gejagt, in die Enge gedrängt und dann besiegt.
Stadtpalast |
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Eine besondere Freude der Guides ist es, die Touristen erst mühsam alle Tiger, Pferde oder was auch immer zählen zu lassen, um ihnen danach zu widersprechen und das Comics-Prinzip zu erklären.
Zu den Besonderheiten, die wir hier im Stadtpalast sehen, zählt auch ein lederner Pferdekopfschmuck, der wie ein Elefantenrüssel aussieht. Damit „verkleidet” glaubten die gegnerische Kampfelefanten, dass es sich um Babyelefanten handelt und ließen die Pferde in Ruhe durch ihre Reihen reiten. Sehr schlau!
Weiter geht's durch die vielen Gemächer, bis wir vor einem Aufzug stehen. Einer der Maharanas hatte Kinderlähmung und war an den Rollstuhl gefesselt. Trotz dieser Behinderung hat er jedoch seinen Humor nicht verloren. Seinen Gästen redete er ein, dass der Aufzug lediglich das Gewicht von ihm selbst samt seinem Rollstuhl tragen könnte und die Gäste doch bitte den Aufzug gleich daneben verwenden sollten.
Dann fuhr er ins tiefer gelegene Stockwerk - und amüsierte sich köstlich, wie sich seine Gäste vergeblich an der zweiten Türe abmühten. Diese war nämlich nur aus Symmetriegründen auf die Wand aufgemalt und ließ sich einfach nicht öffnen.
Im obersten Stockwerk des Palastes befindet sich ein kleiner Hof, durch dessen Fenster man einen wunderbaren Ausblick auf den See mit dem heutigem Lake Palace Hotel hat. Diesen genießen wir, während unser Guide sich über einen der wenigen Plätze freut, an denen das Rauchen erlaubt ist.
Ebenfalls hier im obersten Stockwerk befindet sich ein Hof mit einem Garten. Wie ist es möglich, dass hier heroben etliche Meter über dem Boden so hohe Bäume wachsen? Eine Art Dachgarten vielleicht?
Stadtpalast |
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Weit gefehlt! Beim Bau der Palastanlage wurde der Hügel nicht abgetragen, sondern um ihn herumgebaut. Die Bäume sind also einfach schon hier gestanden und erst später wurde der Gartenhof um sie herum errichtet.
Unser Rundgang führt uns als nächstes in das private Audienzzimmer eines Maharanas. Hier hat der Herrscher mit seinen 3 Damen vertraulich gesprochen. In einer Ecke steht ein mit Kerosin betriebener Ventilator, in einer anderen Ecke eine französische Jugendstil-Figur. Von der Decke baumelt ein großer, böhmischer Kristallluster und auch sonst haben sich hier noch viele Schmuckstücke aus aller Herren Länder angesammelt.
Durch enge, verwinkelte Gänge, mit vielen Ecken und Treppen hinauf und wieder hinunter begeben wir uns zu den Frauengemächern. Auf dem Weg heißt es bei jedem 3. Schritt entweder „Achtung auf den Kopf” oder „Vorsicht Stufe”.
Stadtpalast |
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Stadtpalast |
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Im Frauenpalast angelangt bewundern wir zuerst ein Schminkzimmer mit vielen kleinen Spiegeln und einer großen Schaukel in der Mitte. Letztere bringt Karin zum Lachen, da sie sich lebhaft vorstellen kann, wie so ein beim Schaukeln geschminktes Gesicht aussehen würde.
In einem Hof für Versammlungen des Maharanas mit seinen Damen und Ministern, finden wir einen sehr schönen, mit Spiegeln und Mosaiken geschmückten Erker vor. Hier wurden einst Verträge ausgehandelt und dabei so laut gesprochen, dass alle trotz der Weitläufigkeit des Hofes mithören konnten. Ganz nach dem Motto „erst die Arbeit, dann das Vergnügen” verließen die Minister nach Vertragsabschluss die Räumlichkeiten und die Frauen tanzten im Hof für den Herrscher.
Stadtpalast |
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Auf unserem Weg wieder retour in die unteren Stockwerke betreten wir einen Raum, der von der riesigen, goldenen Maske des Sonnengottes Surya dominiert wird. Die Herrscherdynastie von Udaipur behauptet von ihm abzustammen.
Schließlich bedeutet der Name Udai auch Sonnenaufgang. Unterhalb des Sonnengesichtes sind viele detailreiche Reliefs mit paradiesischen Szenen zu bewundern.
Beim Verlassen des Palastes fällt Alexander ein halb kaputter Holzschmuck über dem Portal auf. Unser Guide erklärt uns, dass es sich dabei um ein traditionelles Hochzeitstor handelt. Wir haben nicht alle der wortreichen Erklärungen verstanden und schon gar nicht alles behalten, der halb kaputte Zustand gehört jedenfalls so. Der Bräutigam muss nämlich hölzerne Vögel, bei seinem Einzug zerstören, damit sie sich im neuen Zuhause niederlassen - oder so ähnlich.
Wieder zurück im unteren Teil der Stadt halten wir vor den Toren eines Parks und steigen aus. Unser Führer erzählt uns, dass sich eine Prinzessin einst ein Schwimmbecken zur Erfrischung gewünscht hat. Bekommen hat sie einen Park mit einem Swimmingpool, dessen Maße dem der städtischen Schwimmhalle entsprechen.
Wir erkunden die Anlage auf eigene Faust, während unser Führer im Schatten der Bäume mit seinen Freunden ein Zigarettchen genießt - oder auch zwei. Wir treten durch ein weiteres Tor und finden ein großes Becken aus weißem Marmor vor. Es ist umgeben von hohen Mauern, um die Prinzessin und ihre Hofdamen beim Baden einst vor neugierigen Blicken zu schützen.
Sahelion-Ki-Bari |
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Bougainvillea und gelbe Trompetenblumen ranken sich über die Mauern und an den Türmchen aus schwarzem Marmor, welche die vier Ecken zieren, klettern die Streifenhörnchen lustig hinauf und hinunter.
In der Mitte des Pools dreht sich ein steinerner Vogel über einer schmiedeeiserne Mädchenstatute, die auf das bunteste bemalt ist und ziert einen kleinen Springbrunnen. Die Wassertropfen glitzern und funkeln in der Sonne, bevor sie auf den Grund des Beckens niederfallen.
Rund um den abgeschirmten Swimmingpool ist ein kleiner Park angelegt. In einer Ecke befindet sich ein so genannter Monsunbrunnen. Hier plätschert unaufhörlich Wasser auf die großen Blätter von Fächerpalmen und erzeugt so den Eindruck, als würde gerade sanfter Monsunregen fallen.
Etwas weiter hinten im Park finden wir einen großer Brunnen mit 4 Marmorelefanten. Seine Oberfläche ist über und über mit rosa Lotusblumen bedeckt, die ihre geöffneten Blüten der Sonne entgegenhalten. Gegen 10 Rupies dreht eine Frau das Wasser auf, sodass wir die Fontänen in all ihrer Pracht bewundern können.
Am Rückweg zum Eingang, wo unser Guide wartet, kommen wir an vielen exotischen Blumen und Pflanzen vorbei. Auch hier macht sich bemerkbar, dass Udaipur die Stadt der Seen ist und somit nicht unter Wassermangel leidet.
Sämtliche Angebote unseres Führers, uns irgendwelche hochinteressanten Handwerksbetriebe zeigen zu wollen - von Miniaturmalerei bis zu Sandelholzschnitzerei wäre alles drin gewesen - lehnen wir dankend ab. Unsere Koffer sind voll und unser Zuhause wird nach unserer Rückkehr ohnehin aussehen wie ein Haveli. Sichtlich enttäuscht aber folgsam bringt uns der Guide zum Hotel zurück. Er hat einfach das Pech, der letzte in einer langen Reihe zu sein, sodass wir wirklich nichts mehr einkaufen möchten.
Zurück im Hotel verbringen wir die verbleibenden Stunden bis zu unserer Bootsfahrt sehr geruhsam. Den Pool haben wir ganz für uns alleine. Zur Stärkung lassen wir uns von dem netten Kellner Sandwichs und Cola bringen, um dann Ball zu spielen, zu plantschen und ein wenig im Schatten zu dösen. Erfrischt machen wir uns auf zur Extratour des heutigen Tages, unserer Bootsfahrt am Pichola-See.
Kurz nach 17:00 legt unser Boot fast pünktlich vom Ufer unterhalb des Stadtpalastes ab. Im Schatten eines Plastikdaches sitzen wir mit etwa 25 anderen Leuten in Plastiksesseln. Der Motor wird allerdings nicht angeworfen, bevor nicht jeder, der eine hat, die Schwimmweste anzieht.
Alexander hat das besondere Glück eine Kinderweste erwischt zu haben. Wurscht, angezogen wird das Ding sonst geht's nicht los!
Die Runde entlang des Ufers unterhalb des Stadtpalastes ist nett und vermittelt uns, warum Udaipur auch Venedig des Ostens genannt wird. Wir sehen Tempel unter Bäumen dicht am Wasser, Pavillons und so etwas wie das Strandbad. Hier plantschen die einheimischen Jungs nach Herzenslust und machen Kunststücke.
Nach etwa 20 Minuten erreichen wir unser Ziel, die Lustinsel Jag Mandir. Wir steigen aus - und sind enttäuscht. Eigentlich wissen wir gar nicht so genau, was hier weniger ist - Insel oder Lust.
Das Eiland ist äußerst winzig. Aufgrund der alten Pläne und Schilderungen haben wir uns viel mehr vorgestellt als ein Lokal, einen Springbrunnen und ein paar ungepflegte und halbverhungerte Rosen. Aber es gibt oberhalb des Lokals eine Balustrade mit hübscher Aussicht auf das Ufer und auf die großen, weißen Marmorelefanten, welche die Anlegestelle bewachen.
Hinter einem verschlossenen Tor befindet sich auch noch ein verbotener Teil, der uns aber auf Nachfrage und gegen ein wenig Bakschisch dann doch geöffnet wird. Trotz Reiz des Verbotenen hat aber auch dieser Teil der Insel nix hergegeben.
Auch unseren Mitreisenden scheint es nicht wesentlich anders zu gehen und so sind wir schon bald und ohne nachdrückliche Aufforderung alle wieder an Bord. Auch diesmal bleiben uns die Zwangsjacken von Schwimmwesten nicht erspart.
Wenn auch die Lustinsel in Wirklichkeit nicht mit unserer blumigen Vorstellung mithalten konnte, so war doch die Fahrt am See selbst das Geld wert. Auch die Uferansichten und vor allem die ins Wasser springenden Buben waren nett anzusehen und so sind wir durchaus zufrieden.
Wieder zurück im Hotel packen wir die paar Sachen, die wir aus den Koffern genommen haben wieder ein und gehen erstmal Abend essen. Auch heute fällt unsere Wahl wieder auf das ausgezeichnete indische Buffet. Nicht zuletzt wegen der tollen Nachspeisen, die Karin „Ganesha's Sweets Collection” tauft weil diesem elefantenköpfigen Gott mit dem runden Bäuchlein immer Süßigkeiten geopfert werden.
Anschließend gehen wir früh schlafen. Unsere Rundreise zu den Palästen Rajasthans ist nun zu Ende und morgen geht es zeitig in der Früh nach Goa, wo wir unsere Erlebnisse verarbeiten und ausspannen wollen. Gute Nacht!