„Jetlag” heißt das allzu bekannte Phänomen, das vielen Langstreckenfliegern während der ersten Tage in einem neuen Land zu schaffen macht. Denn während längst die Sonne lacht, wähnt sich der Körper noch zu Hause, wo es gerade tiefste Nacht oder früher Morgen ist.
Wenn es nach der Zirbeldrüse ginge, würden wir mit der Bahn nach Thailand fahren. Dann könnte sie ihre Produktion von Melatonin gemütlich auf die neue Uhrzeit umstellen. Das Flugzeug reist ihr zu schnell. Egal, ob wir in Bangkok, Sydney oder Los Angeles landen, unbeirrt schüttet sie dann das Schlafhormon aus, wenn daheim die Sonne untergeht. Und wir liegen in der Ferne halbe Nächte wach oder schleppen uns durch die Tage.
Das Angebot an Gegenmitteln ist vielfältig. Beliebt sind sanfte Helfer mit pflanzlichen Stoffen, zum Beispiel „No Jet Lag” Tabletten aus Neuseeland, die auch Arnika und Kamille enthalten. Homöopathen schwören auf Kügelchen mit Cocculus, der getrockneten Frucht der Scheinmyrte. Manche Reisende greifen zu einem von sechs empfohlenen Schüßlersalzen. Auch Akupressur an Händen, Füßen und Ohrläppchen soll die Energiebahnen harmonisieren.
Doch Experten dämpfen die Hoffnung: „Eine erwiesene Wirkung hat allerdings keines dieser Mittel”, sagt Dr. Tomas Jelinek, Internist und unter anderem Leiter des Centrums für Reisemedizin in Düsseldorf: „Empfundene Besserung beruht vermutlich am ehesten auf einem Placebo-Effekt.”
Nachgewiesen ist, dass künstliches Melatonin den Jetlag bekämpfen kann. Eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen eingenommen, macht es genauso müde wie das körpereigene Hormon. „Allerdings greift man damit in den Hormonhaushalt ein, was prinzipiell problematisch ist und Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Rastlosigkeit können auftreten”, gibt Jelinek zu bedenken.
Von anderen Schlafmitteln als Alternative rät der Medizner ab: „Sie bringen nicht die erholsamen Schlafphasen”. Wer nach Westen reist, hat das gegenteilige Problem: Er muss sich wach halten, obwohl die innere Uhr auf Schlafen steht. Viele Amerikaner lassen sich in dem Fall Ritalin oder Provigil verschreiben, die zum Beispiel bei Patienten mit Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS) eingesetzt werden. „Beide sind hoch wirksame Medikamente und unangebracht gegen Jetlag, der ja keine Krankheit ist”, sagt Tomas Jelinek. Dazu können sie starke Nebenwirkungen haben.
Ein harmloses Aufputschmittel ist Licht. Die Flinders University im australischen Adelaide hat eine „Re-Timer Lichttherapiebrille” mit LED-Leuchten entwickelt. Sie soll vor dem Flug drei Tage und am Ziel einen Tag lang für je 50 Minuten getragen werden und bestrahlt die Augen mit einem speziellen grünen Licht.
Auch hier ist die Wirkung nicht klar bewiesen. „Sie erscheint aber nicht abwegig”, sagt Jelinek. Allerdings lohnt sich die Brille mit € 219 wohl nur für wirkliche Vielflieger. Preiswerter ist die Lichttherapie mit Jelineks Tipp: „Übernehmen Sie gleich nach der Ankunft den Rhythmus vor Ort, und gehen Sie in den ersten Tagen viel nach draußen.” Dass Tageslicht gegen Jetlag hilft, haben Versuche mit Hochleistungssportlern nachgewiesen.
Und wenn die Müdigkeit trotz allem zu groß wird? „Dann nicht zwei Stunden Mittagsschlaf halten”, warnt der Experte, „20 Minuten Powernapping helfen auch”. Wer Schwierigkeiten hat, danach wieder aufzustehen, sollte vorher einen Kaffee trinken: „Koffein braucht etwa 20 Minuten, um zu wirken. Dann sind Sie wieder wach.”
Quelle: GEO SAISON - Ausgabe 07/2013 - Seite 23ff - adaptiert
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