Guten Morgen!
Die erste Nacht in einem ungewohnten Bett ist oft sehr unruhig. Irgendwie haben wir der Klimaanlage die ideale Schuschel-Schlaftemparatur noch nicht beigebracht und so ist Alexander um kurz vor 6 Uhr bereits putzmunter und voller Tatendrang.
Was machen wir heute? Es ist Sonntag und weil die kleine Insel sehr katholisch ist, hat vieles zu auf Malta - am siebten Tage sollst Du ruhen. Wir entscheiden uns für Valetta in der Hoffnung, dass die Inselhauptstadt sich touristisch aufgeschlossener gibt und wir die eine oder andere geöffnete Sehenswürdigkeit vorfinden.
Zu unserer angenehmen Überraschung gibt es einen Raucherbereich. Welch ein Genuss, nach dem Frühstück in Ruhe sitzen zu bleiben und sich zum restlichen Tee ein Zigaretterl anstecken zu können! Das Frühstücksbuffet finden wir reichhaltig und abwechslungsreich.
„Eggs any style” werden von einem freundlichen, kleinen Koch zubereitet, dem Karin geradewegs in die Augen sehen kann (sie ist nur 1,60 m), Baked Beans, Schinken, Bacon, grilled Tomatoes, Dim Sum, Reis, Müsli und Frühstückscerialien, frische Früchte, Käse, Wurst, Lachs und anderer Räucherfisch, grüne und schwarze Oliven, viele Brot- und Gebäcksorten inklusive richtigem Vollkornbrot, Fruchtsäfte und ordentlicher Tee (die Briten waren hier! ) oder Kaffee.
Es findet sich hier wirklich für jeden Geschmack etwas und davon nicht zu wenig! Nach ausgiebiger Stärkung und anschließender Genusszigarette schreiten wir zum nächsten Programmpunkt...
Aufgrund der T-Shirt-Farbe im gleichen dezenten Orange wie die Firmenfarbe des Veranstalters, der Stimmlage und der räumlichen Ausdehnung, wird es dem einsamen Touristen im fremden Land wirklich leicht gemacht, auf Anhieb zum „Cocktail” mit der lokalen Vertretung zu finden .
Warum es Cocktail genannt wird, ist nicht ganz eindeutig, ist es doch 10:00 Vormittag und weit und breit kein Glas zu sehen. Dafür hagelt es diverse Informationen über Land, Leute und zusätzlich zu buchende und selbstverständlich mehr als empfehlenswerte Exkursionen. Auch die Abfahrtszeiten für die Hafenrundfahrt, die im Standardpackage bei einigen (bei uns auch) auch schon dabei ist, werden per Zettel verteilt. Da wir vorhaben die Insel auf eigene Faust zu erkunden, ist unser Aufenthalt beim Cocktail leider, leider nur von kurzer Dauer.
Es ist 10:30 und wie ausgemacht folgt nun die Anlieferung unseres Mietautos.
Wir werden von einem kleinen, älteren Malti, in kleinem, älteren Gefährt abgeholt und für die Übernahme unseres Mietwagens ins Hilton geführt. Lärmend und knatternd kommen wir nach einigen wenigen Minuten dort an. Nach den Formalitäten, die von einer freundlichen Damen mit ausgezeichnetem britischen Englisch erledigt werden, bekommen wir just jenes Auto.
Igitt! Das Getriebe scheint beim Fahren irgendwie halb am Boden zu schleifen, alles scheppert, klappert und klingelt wie ein vollgehängtes Bettelarmband aus Blech. Das Fahren im 1. und 2. Gang ist ein akustischer Wahnsinn! Man hört uns kilometerweit, die Hupe werden wir sicher nie betätigen müssen. Aber die Beschleunigung ist ok und macht ein Überholen durchaus möglich. Radio hat unser Kia Avella leider keines - hätten wir aber bei der Geräuschkulisse eh nicht gehört.
in Valetta |
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Nach einer ersten Orientierung peilen wir also unser heutiges Ziel Valetta an.
Wir halten uns immer an der Küste und treffen Valetta doch gleich aufs erste Mal. Auch einen guten und erlaubten Parkplatz finden wir auf Anhieb auf der St. James Bastion direkt über der Ruine des Royal Opera House. Wir packen unsere Fototaschen und schlendern los. Puh, die Sonne kann es aber heute. Mangels selbigem stellen sich die 22 Grad im Schatten als sehr heiß heraus.
Valetta ist wirklich ein kleines Juwel. Die Stadt wurde von Großmeister Jean Parisot de la Valette und dem Militärarchitekten Francesco Laparelli, einem Schüler Michelangelos, entworfen und der Grundstein 1566 gelegt. Bereits 5 Jahre später löste sie die alte Hauptstadt Birgu ab. Valetta ist rasterförmig angelegt und galt zur damaligen Zeit als modernste aller europäischen Städte.
Mit Bedacht auf die militärische Nutzung gibt es weder Vorgärten noch Außentreppen, die einen Durchzug behindern könnten. Die Straßen und Häuserfluchten sind so angelegt, dass der Wind ungehindert hindurch streichen und so für Kühlung sorgen kann. Jedes Haus war mit einer eigenen Zisterne versehen und mußte seinerzeit 10 Monate nach dem Grundstückskauf fertig gestellt sein.
Wir spazieren entlang der Republic Street, an der die meisten der großen Ordensbauten und die wichtigsten Plätze liegen und die auch die Haupteinkaufsstraße ist. Die Republic Street selbst und auch die kleineren Neben- und Seitenstraßen sind mit vielen Flaggen geschmückt, die im Wind wehen.
Auch einige andere Touristen bummeln träge durch die Stadt. Es sind aber nur sehr wenige, sodass der Eindruck sonntäglicher Ruhe kaum gestört wird. Bei der berühmten St. John's Co-Cathedral lesen wir, dass an Sonntagen nur Messen stattfinden, jedoch keine Besichtigung möglich ist.
Wir folgen der Republic Street, vorbei an den Law Courts und dem Grandmaster's Palace bis zu Fort St. Elmo. Valetta ist vollständig von Bastionen umgeben, die auch heute noch alle erhalten sind. Fort St. Elmo wird heute als Kaserne der freiwilligen Maltesischen Armee genutzt und hat am Sonntag leider zu.
Wir kaufen bei einem kleinen Kreissler Trinkwasser ein und klettern wieder bergauf zu den lower Baracca Gardens. Ein ehemaliger Exerzierplatz mit dem Mausoleum von Sir Alexander Ball im Stil eines griechischen Tempels. Sie werden als eine der „grünen Oasen” Valettas bezeichnet, was uns ein schiefes Lächeln entlockt . Aber nett ist es hier heroben und einen schönen Blick hat man auf den Grand Habour.
Lower Baracca Gardens |
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Ein Lüftchen weht vom Meer her und kühlt sehr angenehm. Wir verweilen ein wenig. Ein kleiner Bub läuft aufgeregt in seinem Erstkommunionsanzug auf und ab. Sehr lieb ist er anzuschauen mit seinem Sakko, das wohl noch etwas Reserve zum Reinwachsen hat. Ganz stolz und andächtig trägt er eine üppig verzierte große Kerze vor sich her - so mit goldenen Ähren, Hostie und sinniger Inschrift. Für unseren Geschmack recht kitschig, aber der Kleine hat seine Freude daran.
Wir folgen einigen Schildern zu den Lascari's War Rooms, den ehemaligen britischen Befehlsständen unterhalb der von Großmeister Lascari angelegten Bastion. Nach einiger Zeit hören die Schilder jedoch auf und wir finden uns in den Upper Baracca Gardens, der nächsten „grünen Oase” wieder. Diese 1775 für die italienischen Ritter geschaffene Anlage auf der St. Peter and Paul Bastion, wurde früher auch „Il Belvedere d'Italie” genannt. Von hier aus hat man einen tollen Blick auf Fort St. Angelo und die gegenüberliegenden „Three Cities”.
Upper Baracca Gardens |
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Beim Verlassen sehen wir nochmals ein Schild zu Lascari's War Rooms! Leider ist es an einem fest verschlossenen Gitter angebracht.
Der Merchant Street entlang bummelnd kommen wir am Eingang zum Grandmaster's Palace und der Waffenkammer vorbei. Die Waffenkammer hat heute sogar offen, aber der Palast ist erst wieder wochentags zu besichtigen. Wir möchten beides auf einmal ansehen und werden ein anderes Mal wieder kommen.
Karin meldet einen kleinen Hunger an - beim Frühstück haben wir ja auch sooooo wenig gegessen! Auf der Suche nach einer genehmen Lokalität kommen wir an einem Plakat vorbei, welches uns das Erlebnis der großen Belagerung von Malta als 3D-Erfahrung verspricht. Alexander will da hinein. Ein klimatisiertes Abenteuer ist genau das, wonach ihm jetzt der Sinn steht! Karin ist äußerst skeptisch, aber es ist so heiß - also OK, gehen wir halt rein.
Von der Qualität einer Disney World natürlich weit entfernt ist das Spektakel aber doch ganz nett aufgezogen und geschichtlich interessant. Wir erfahren, dass die Ritter des Johanniter Ordens 1522 von den Türken aus Rhodos vertrieben wurden. Da ihnen sonst in Europa niemand freiwillig Land für eine Niederlassung abtreten wollte, nahmen sie schließlich etwas verdrossen das steinige und öde Eiland Malta von Kaiser Karl V. als Lehen an.
Zunächst residierten die Ritter in Mdina, der Stadt des heimischen Adels. Während dieser Zeit befestigten sie die Forts St. Elmo, St. Michael und St. Angelo, errichteten das erste Ordenshospital auf Malta, ließen die ersten Herbergen für die „Zungen” des Ordens erbauen, erneuerten die „Three Cities” Senglea, Bormla und Birgu, wovon sie schließlich Birgu zu ihrer Hauptstadt wählten.
1547 wurden die Türken wieder lästig. Unter Korsar Dragut landeten sie in der Bucht von Marsaxlokk, konnten aber abgewährt werden. 18 Jahre später, 1565, versuchten sie es wieder. Diesmal gleich mit 200 Kriegsschiffen und über 30.000 Soldaten. Dagegen nahmen sich die anfänglich 250, später 540 Ritter nur sehr mager aus.
Vom Mai bis zum September 1565 kämpften die Johanniter unter der Führung ihres Großmeisters La Valette, später auch noch mit Unterstützung von 18.000 Spaniern, gegen die Feinde aus dem Morgenland. Diese mussten schließlich deprimiert von dannen ziehen, da es ihnen trotz Übermacht nicht gelang, Malta einzunehmen.
Neben dem Heldenmut der Ritter und der Uneinigkeit der türkischen Heerführer war auch ein strategischer Fehler am Mißerfolg der Türken schuld: Sie hatten es verabsäumt, die schwache Inselhauptstadt Mdina als erstes einzunehmen, sodass es den Belagerten weiterhin möglich war, Nachschub zu beziehen und den Kontakt nach Sizilien zu halten.
Jedenfalls hatte dieser heldenmütige Sieg den Rittern und ihrer Insel Malta den Ruf als Europas Schild eingebracht. Das Wohlwollen und die Unterstützung äußerten sich unter anderem durch bare Münze und die Entsendung des Architekten Laparellis durch den Papst. Jener hat dann gemeinsam mit Großmeister La Valette die neue Inselhauptstadt Malta entworfen.
Abgekühlt nach 45 geschichtsträchtigen Minuten haben wir jetzt noch mehr Hunger. Wir finden ein kleines Kaffee auf dem Platz vor der Nationalbibliothek. Hier ist es schattig und angenehm ruhig, ohne der Tschinderassa-Musik, die am Republic Square die Geräuschkulisse aus der Dose bildet. Bei Sandwich und Cola sammeln wir neue Kräfte.
Nach Valetta müssen wir unbedingt nochmal kommen! St. John's Co-Cathedral ist ein Muss für uns, ebenso wie Grandmaster's Palace. Und während wir müde zurück zum Auto wandern, fallen uns auch noch einige nette Schuhgeschäfte auf, die für Karin ein Grund zur Wiederholungstat sind!
Die Sonne scheint so schön und das Meer ist so blau, dass wir beschließen, noch ein wenig mehr der Insel zu erkunden. Wir ruckeln und scheppern entlang der Küstenstraße, die wir „Cote d'Azur von Malta” nennen, nach Norden. Oberhalb der St. Paul's Bay fällt uns wieder einmal ein schlossähnliches Gebäude auf einem Hügel auf. Erinnerungen an Riber Castle werden wach . Also rauf die kleine Straße!
Oben angekommen stehen wir vor Selmun Palace, einer ehemaligen Datscha eines Ordensritters. Der Sommerpalast wurde Anfang des 17. Jahrhundert von Domenico Cacchia erbaut und befand sich im Besitz der Stiftung „Monte di Redenzione”. Obwohl der Bau den Eindruck erwecken mag, war diese Stiftung weniger mit Lustbarkeiten als mit dem Freikauf christlicher Sklaven befaßt.
Selmun Palace ist wirklich ein sehr schönes altes Gebäude, dass eine zeitlang ein nobles Schloss-Restaurant und die Luxus Suiten des gleich daneben liegenden Mercure Resorts „Selmun Palace” beherbergt hat. Das muss aber wohl vor einigen Jahrzehnten gewesen sein, so verwildert und verrostet, wie jetzt alles aussieht und so fest verschlossen es ist.
Das Resort macht einen recht netten Eindruck, ist aber „in the middle of nowhere” - wer's halt mag...
Wir fahren weiter entlang der Küste nach Mellieha. Am Dorfplatz sehen wir eine große Kirche, mit gaaaanz vielen Autos davor! Sämtliche umliegenden Gässchen, Plätze und selbst Böschungen sind bis auf den letzten Millimeter zugeparkt. „Ist da etwas Sehenswürdiges?” fragen wir uns neugierig und quetschen unsere Klapperkiste an einen Abhang.
Mellieha |
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Die Kirche ist offen, kaum zu glauben! Schöne, getragene Musik tönt aus dem Inneren, das gerammelt voll ist. Leise drängeln wir hinein und ernten ein paar grimmige Blicke. Was haben wir denn gemacht? Alexander glaubt es ist eine Erstkommunion und wir ziehen uns ebenso leise wieder zurück.
Wir schauen uns noch ein bisschen auf dem Dorfplatz um, als ein lauter Knall die Stille zerreisst und uns das Herz vor Schreck fast stehen bleibt. Und dann noch einer, und noch einer! Insgesamt werden mehr als 20 Ehrensalut-Schüsse abgegeben. Das mit der Erstkommunion war knapp daneben - es handelt sich um ein Begräbnis. Das ganze Städtchen scheint daran teilzunehmen und auch die bösen Blicke verstehen wir jetzt. Oops, 'tschuldigung!
Jetzt sind wir aber wirklich müde und geschafft! Wir satteln unseren Avella und fahren zurück zum Hotel. Noch schnell ein paar Sandwiches und Getränke für unser Abendessen eingekauft und das war's für heute. Todmüde schlafen wir mit vollen Bäuchlein ein.