Jurmala

Rathausplatz, Schwarzhäupterhaus

 

Markthallen, Blumen

 

Guten Morgen! Ja was ist das denn? Als wir aufwachen und zwischen den zugezogenen Vorhängen in die stillen Höfe von Bergs Bazar lugen, schüttet es wie aus Schaffeln.

Der Himmel ist ganz grau und voller dicker Wolken. Na sowas! Gehen wir uns den Tag erst mal bei einem leckeren Frühstück versüßen und dann sehen wir weiter.

Von der Karte wählen wir heute erstmalig Crepe mit Bananen, Karamellsauce und Vanilleeis, was sich nach doch recht langem Warten als wahre wonnigliche Wucht herausstellt. Die hauchdünnen Platschinken sind mit Blüten, Schokosauce und Minzblättchen dekoriert und zergehen zartschmelzend auf der Zunge. Mmmmmmmh …

Nach dem Frühstück gehen wir kurz noch mal zurück auf unser Zimmer und beratschlagen, was wir mit diesem verregneten Tagesbeginn anfangen wollen. Wir beschließen, wieder in die Stadt zu gehen. Am Nachmittag soll das Wetter schöner werden und da könnten wir dann Jurmala besuchen.

Nach obenSt. Johanniskirche

St. Johanniskirche

 

St. Johanniskirche
IconSt. Johanniskirche

 

Wir ziehen also unsere Regenjacken an, borgen uns einen großen Schirm bei der Rezeption aus und stapfen los. In der St. Johanniskirche suchen wir vor den dicken Tropfen Schutz und schauen uns interessiert das Innere des Backsteinbaus an.

Im 13. Jahrhundert soll hier einmal ein kleines Gotteshaus gestanden haben, die Kapelle eines Dominikaner­klosters. Dieses wurde jedoch im 15. Jahrhundert zerstört und erst später wieder aufgbaut. Durch eine Erweiterung im späten 16. Jahrhundert, die in einem drei­schiffigen Chor endete, wurde die St. Johanniskirche zum größten Rennaisance­gebäude Lettlands.

Im hellen Kirchenraum klettern wir in die Holzbänke und legen den Kopf in den Nacken. Wirklich beeindruckend ist das spätgotische Netzgewölbe, das mit zarten rotbraunen Malereien verziert ist.

St. Johanniskirche

 

An der Außenmauer der Kirche gibt es auch zwei Besonderheiten zu bewundern. Da ist einerseits eine steinerne Maske, aus der früher angeblich an Feiertagen zur Stadtbevölkerung gesprochen wurde. Einen näheren Hintergrund zu dieser Legende konnten wir leider nicht erfahren.

Und dann gibt es da auch noch eine kleine, vergitterte Öffnung. Im 15. Jahrhundert sollen sich zwei Mönche hier lebendig einmauern lassen haben und wurden nur durch eben jene Öffnung mit Speis und Trank versorgt. Bei Restaurierungs­arbeiten im 19. Jahrhundert hat man hier tatsächlich menschliche Überreste gefunden, die man lieber gleich an Ort und Stelle belassen hat.

All das kann ohne Eintritt, nur gegen eine freiwillige Spende besichtigt werden.

Nach obenHop-on Hop-off, die zweite Runde

Cafe Black Magic
IconCafe Black Magic

 

Cafe Black Magic

 

Nachdem das Wetter immer noch zu wünschen übrig lässt, entern wir einen der Hop-on Hop-Off Busse, für die unser 2-Tages-Ticket ja auch heute noch gilt, und fahren den zweiten Teil - die Blue Line - ab.

Da die Tour uns diesmal etwas außerhalb des Stadtkerns führt, gibt es nicht mehr allzu viele Häuser mit Wow-Effekt. Trotzdem finde wir es interessant und ansprechend und außerdem auch noch trocken und bequem.

Cafe Black Magic
IconCafe Black Magic

 

Cafe Black Magic

 

Als unsere Busfahrt zu Ende ist, hat der Regen auch endlich aufgehört. Rasch gehen wir zurück ins Hotel, retournieren den großen Schirm und holen unsere Fotorucksäcke. Bei dem nassen Vormittagwetter hatten wir nämlich nur unsere Kameras dabei.

Dann machen wir uns auf den Weg zum Bahnhof, um mit dem Zug nach Jurmala zu fahren. Erstaunlich billig sind die Fahrkahrten, die hin und retour nur 1,95 LVL kosten. Wir müssen gar nicht lange warten und schon kommt der Regionalzug, der uns die rund 25km zum Ostseebadeort bringt.

Nach obenMajori

Jomas Iela

 

Jomas Iela

 

Während wir in den entsetzlich unbequemen, da unergonomisch vorgeformten Sitzen hocken, zieht die sommerlich grüne Landschaft an uns vorbei. Durch die Mulden in den Plastiksitzen wird man förmlich zu so etwas wie einer korrekten Sitzhaltung gezwungen. Blöd ist nur, dass wir nicht alle die selbe Normgröße haben, anhand derer diese Folterwerkzeuge geformt wurden.

Das Stadtbild Rigas ist ohnehin nicht von Hochhäusern geprägt, doch je weiter wir uns vom Stadtrand entfernen, desto mehr verlieren sich die Häuser in Feldern und lichten Kiefernwäldern.

Jomas Iela

 

Jomas Iela

 

Hin und wieder gibt es eine Bahnstation, von der aus schmale Wege zu einer ländlichen Siedlung führen. Man gewinnt den Eindruck von Sommerfrische, Landidylle und Fahrrad fahrenden Kindern, die hier Räuber und Gendarm spielen.

Als wir nach etwa einer halben Stunde in Majori, dem Hauptort des Landstriches, der einstmals Riga Strand genannt wurde und der heute Jurmala heißt, ankommen, sieht es hier schon viel belebter aus.

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war Jurmala ein mondäner Badeort, wovon die wunder­schönen Holzvillen zeugen, die der besseren und betuchteren Rigaer Gesellschaft als Wochen­end­domizile zur Erholung dienten. Sie prägen das Ortsbild und sind neben dem über 30km langen Strand mit feinem Sand DIE Attraktion für Tages­ausflügler wie uns.

Heute ist Jurmala als Kurort bekannt - wären wir mit dem Auto gekommen, hätten wir bei der Einfahrt eine Kurtaxe entrichten müssen - in dem medizinische Anwendungen mit schwefel­haltigem Heilschlamm und Mineral­quellen geboten werden.

Jomas Iela
IconJomas Iela

 

Jomas Iela
IconJomas Iela

 

Majori ist wie gesagt der Hauptort und lädt mit der Fußgängerzone Jomas Iela zum Flanieren, Verweilen und am Abend auch zum Feiern ein. Wir schlendern die Flaniermeile entlang, die in Föhrenduft gehüllte Schwimmtier-Romantik bietet, und bemühen uns, die Häuser, welche in einem lokalen Plan beschrieben sind, zu identifzieren.

Nach einer Weile geben wir dies jedoch mangels interessanter G'schichterln auf. Die Information zu den Gebäuden erschöpft sich nämlich nach dem Datum der ersten und zweiten Restaurierung sowie dem Namen des Geschäftes, das jetzt darin zu finden ist.

In einem nett aussehenden Lokal machen wir unsere Mittagspause. Wir bestellen frittierte Tinten­fischringe sowie Tiger Prawns-Spießchen und einen großen griechischen Bauernsalat.

Jomas Iela

 

Jomas Iela

 

Sind zwar alles Vorspeisen, was aber ohne weiteren Kommentar von der freundlichen Bedienung aufgenommen und auch recht rasch serviert wird. Dazu gibt es ein großes und ein kleines dunkles Bier. Alles schmeckt ausgezeichnet, macht satt und gibt Kraft für weitere Erkundungen.

Wir folgen der Jomas Iela bis vor zum Strand und nun sieht Karin endlich das Meer, nach dem sie schon die ganze Zeit gefragt, um nicht zu sagen ge­quengelt, hat.

Der Sand ist feinkörnig, jedoch um einiges dünkler, als die Beschreibungen von „weiß” erwarten ließen, und das Wasser der Ostsee ist saukalt.

Jurmala Strand, Rigaischer Meerbusen
IconJurmala Strand, Rigaischer Meerbusen

 

Jurmala Strand, Rigaischer Meerbusen

 

Trotz eher kühlem Wetter sind durchaus viele Besucher hier und einige ganz Unerschrockene wagen sich sogar ins Wasser. Selbiges dürfte recht flach sein, denn selbst wenn man ca. 30m weiter ins Meer watet, umspülen die kalten Wellen gerade mal die Knie.

Naja, die Ostsee ist aber wie gesagt ohnehin weniger für bade­wannen­warmes Wasser bekannt, als für ihre Naturschönheit und die architektonischen Juwele, die sich auf ihren Inseln und in den Buchten gebildet haben.

Dänemark, Polen, Lettland, Estland, Russland, Finnland, Schweden und Deutschland liegen an diesem größten Brack­wassermeer unserer Erde und mit einer Kreuzfahrt in der Ostsee etwa kann man schon einige tolle Metropolen miteinander verbinden.

Tirgonu Iela 1, Meerespavillon

 

Pilsonu Iela 1, Ehemaliges Kurbad

 

Könnte uns das vielleicht auch gefallen? Vorstellbar wäre das durchaus, in einer hübschen Kabine auf den Wellen zu schaukeln und jeden Tag einen anderen schönen Ort zu besuchen. Kopenhagen, Oslo, Göteborg … klingende Namen fallen uns da ein und wir notieren das geistig als eine Möglichkeit, einmal einen für uns etwas anderen Urlaub zu genießen.

Noch diesen Gedanken nachhängend gehen wir barfuß am Strand entlang, betrachten auch hier die Häuser, die aus der ersten Reihe natürlich einen besonders schönen Ausblick haben und dement­sprechend, weil sicher nicht armen Leuten gehörend, auch einen besonders schönen Anblick bieten.

Das alte Kurhaus, welches zwischen 1911 und 1916 von E. Racene errichtet wurde, ist schön restauriert worden und bietet alle möglichen Anwendungen mit warmem, kaltem oder sogar mit Sauerstoff angereichertem Meerwasser. Nostalgisch und lustig!

Zwischen den Dünen folgen wir nun einem schmalen Pfad zur Straße und kommen in eine Gegend, wo uns einfach nur der Mund offen bleibt. Von den Holzvillen ist eine schöner als die andere.

Villa

 

ehemalige Villa
Iconehemalige Villa

 

Reich verziert mit Holzschnitzereien, Kupferdächern, Buntglas­fenstern, Türmchen, Erkerchen und Balkönchen stehen die gar nicht kleinen Häuser in gepflegten, Föhren bestandenen Gärten. Uns beschleicht Traurigkeit ob des Elends, das hier vorherrscht smiley.

Zwischen­durch gibt es aber erstaun­licherweise doch noch das eine oder andere verfallene Haus, das offensicht­lich noch keinen neuen Eigentümer gefunden hat und auf Restaurierung wartet.

Auf unserem Spazierweg kommen wir auch an einem wirklich heruntergekommenen Backstein­gebäude vorbei, das wie eine Ruine von einem Wohnhaus anmutet und von vielen Menschen bewohnt zu sein scheint. Das passt hier eigentlich gar nicht her …?

Villa
IconVilla

 

Villa

 

Gleich daneben geht es mit den riesenhaften Grund­stücken in der ersten Reihe weiter. Wir lesen auf einem Verkaufs­schild, dass der verwilderte Park, auf dem das Objekt steht, sage und schreibe 8.100 m² hat. Und das mit unverbautem Blick auf die Ostsee - unglaublich!

Wir laufen also im Zick-Zack die Straßen und Gassen auf und ab, ständig stehen bleibend und unter lautem Ah! und Oh! die romantischen Holzhäuser fotografierend, bis wir uns satt gesehen haben und wirklich müde sind.

Nun geht es durch die Jomas Iela wieder retour Richtung Bahnhof. Auf dem Weg kehren wir noch in einem Café auf einen Espresso und einen Drink namens Pink Sprizz ein. Das ist eine Mischung aus Aperol Sprizz und Pink Grapefruit Juice und schmeckt sehr erfrischend.

Villa
IconVilla

 

Villa
IconVilla

 

Zurück am Bahnhof fragen wir sicherheitshalber nochmals nach, ob unsere Tickets wirklich tour-retour gelten, da sie ja so günstig waren. Jaja, wird uns versichert, alles bestens, wir können damit nach Riga zurück fahren.

Der Zug kommt recht bald und hat diesmal glücklicherweise Sitze, die nicht vorgeformt sind. Bequemlichkeit und natürliche Körperhaltung haben also auf dem Heimweg Vorrang vor sowjetischen Vorstellungen von richtigem Sitzen.

Skulptur Meerjungfrau und Schwimmer

 

Villa

 

ehemalige Villa

 

Wieder in Riga angekommen haben wir nun keine großen Stadt­spaziergänge mehr vor. Wir gehen in unser Hotel, wo am Zimmer bereits ein gekühltes Fläschchen Champagner wartet, das wir zu Ehren Alexanders rundem Geburtstag leeren.

Wir duschen, machen uns ein wenig fein und besuchen im Anschluss das Hotel­restaurant, wo wir schon einen Tisch für ein besonderes Abend­essen reserviert haben.

Wir genehmigen uns einmal gut abgehangenes Entrecote für Alexander und ein rosa gebratenes Enten­brüstchen für Karin. Beides ist zart und sehr, sehr lecker. Vor- und Nachspeise lassen wir weg, da wir mit so extrem vollen Bäuchlein einfach nicht gut schlafen.

Eisenbahnstation Majori

 

Jomas Iela
IconJomas Iela

 

Dafür gibt es noch ein Gläschen Prosecco als Aperitif, ein Glas Shiraz zu Fleisch und Ente und jede Menge stilles Wasser für den Durst. Den Abschluss bildet ein kleiner Espresso, der die Verdauung unterstützt.

Nach dem ausgezeichneten Abendessen genießen wir es sehr, dass wir nur noch mit dem Lift auf unser Zimmer fahren müssen, wo wir noch ein wenig feiern und den Tag geruhsam ausklingen lassen. Müde vom Schauen und Herumlaufen sinken wir bald in unsere Kissen und träumen von den sanften, kühlen Wellen der Ostsee. Bis morgen!

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