Guten Morgen, aufgestanden! Nach dem gestrigen Tag in Uppsala, wollen wir heute wieder in Stockholm bleiben und die Stadt noch genauer erkunden. Etwas, was wir noch nicht gesehen haben ist das Stadshuset, welches zu den Wahrzeichen der schwedischen Hauptstadt zählt und ihr charakteristisches Bild maßgeblich mitbestimmt. Schon von unserem letzten Besuch bei geschlossenen Pforten wissen wir, dass es um 10:00 eine Führung in Englisch gibt. Die wollen wir mitmachen.
Nach dem „gemütlichen” Frühstück ziehen wir uns also an und nehmen wieder einmal die Tunnelbana, um zu unserem Ziel zu gelangen. Die Station Radhuset klingt gut und schaut laut Plan auch so aus, als wäre es durchaus in der Nähe des Stadshuset. Wäre sie wohl auch, wenn wir nicht den falschen Ausgang gewählt hätten. Wahrscheinlich waren wir von der künstlerischen Ausgestaltung der U-Bahn-Station so abgelenkt.
Radhuset liegt auf der blauen Linie und die Station befindet sich ca. 20m unter dem Meeresspiegel und sieht aus wie eine unterirdische Höhle im Vulkangestein. Der Effekt kommt daher, dass die roh in den Fels gehauenen Tunnel und Gewölbe nicht geglättet und mit rostrotem Anstrich bedeckt wurden. Hier herum zu spazieren vermittelt ein Gefühl wie in Jul Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde”. Als wir an die Oberfläche gelangen, merken wir, dass wir einen ziemlichen Umweg zu gehen haben. Das macht aber gar nichts, da wir ohnehin noch soviel Zeit bis zum Beginn der Führung haben.
Stadshuset, Innenhof |
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Als wir schließlich beim Stadshuset ankommen, kaufen wir zuallererst einmal die Tickets, die aus einem bunten Sticker und einem Kassabon bestehen. Danach gehen wir noch ein wenig nach draußen, um die Kulisse mit Schnee zu fotografieren. Karin haben es die beiden Figuren „Sangen” (Gesang, hier eine männliche Skulptur) und „Dansen” (Tanz, das weibliche Pendant) besonders angetan, die am Ufer vor dem Blick hinüber nach Södermalm ihre in Stein gemeißelten Künste darbieten.
Alexander entdeckt an einer Seite des Stadshuset ein Grabmal von Birger Jarl, dem Gründer Stockholms. Tatsächlich sind seine sterblichen Überreste in der Klosterkirche Varnhem in der schwedischen Provinz Västergötland beigesetzt, doch hier, bei diesem symbolträchtigen Repräsentationshaus darf natürlich ein Andenken an den mittelalterlichen Fürsten nicht fehlen.
Grabmal Birger Jarl |
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Birger Magnusson von Bjälbo war schwedischer Staatsmann und seit 1248 Jarl von Schweden. Er stammte aus dem bekannten Bjälbo-Geschlecht, das seit 1200 mehrere Jarle stellte und erreichte nicht zuletzt durch die enge Beziehung zu seinem Schwager König Erik Eriksson eine herausragende Machtstellung.
Doch auch zur Kirche hatte Birger Jarl ein gutes Verhältnis und so wurden seine Gesetzesmodernisierungen im Sinne christlicher Werthaltung durchwegs unterstützt. Die vier Reichsgesetze zum Hausfrieden, Frauenfrieden, Thingsfrieden und Kirchenfrieden festigten das schwedische Staatswesen. Aus einer seiner beiden Ehen stammten unter anderen auch zwei Söhne, welche später als Magnus I. bzw. Waldemar I. Könige von Schweden wurden.
Birgers Denkmal ist aus kaltem Metall und Stein, sodass ihm das Wetter nichts ausmacht. Uns jedoch setzt der eisig blasende Wind recht zu, sodass wir bald wieder hinein in die warmen Räumlichkeiten des Stadhuset gehen.
vor dem Stadshuset, Dansen (Der Tanz) |
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Die Führung fängt pünktlich an. Es gibt eine Garderobe, welche kostenfrei aber unbewacht ist. Also schnell alle Wertgegenstände aus den Anoraktaschen geholt und in den Rucksack verstaut. Fotografieren ist hier glücklicherweise erlaubt, teilweise aber ohne Blitz. Na, schauen wir, wie die Lichtverhältnisse sind.
Die zu führende Gruppe ist so groß, dass sie in 2 englische und eine schwedische geteilt wird. Unsere Führerin heißt Mia und ist eine junge blonde Schwedin, die uns mit viel Schwung und in ausgezeichnetem Englisch durch die Hallen führt.
Wir beginnen im Blauen Saal, in welchem die Nobelpreisträger beim Bankett geehrt werden. Mia erzählt von Ragna Östberg, dem weitgereisten Professor der Stockholmer Kunsthochschule, der aus allen Stilen genommen, was ihm am besten gefallen oder symbolisch gut gepasst hat und in das Stadshuset einfließen ließ. Hier eine italienische Piazza mit Bögen und Brunnen, dazu aber auch maurische Sterne und nordische Muster im Backstein.
Das Auffälligste am Blauen Saal ist, dass es hier gar nichts Blaues gibt! Ursprünglich sollten Backsteinwände blau bemalt werden, aber Ragna war von dem warmen Farbton der Ziegelsteine so angetan, dass er die Mauern einfach belassen hat wie sie auch heute noch sind. Nur der Name blieb, weil sich alle schon so daran gewöhnt hatten vom Blauen Saal zu sprechen.
Als nächstes besuchen wir den Ratssaal, in welchem die 101 Mitglieder des Stockholmer Stadtparlaments tagen. Die Decke ist wie in alten nordischen Häusern gestaltet, mit geschnitzten Balken und einem symbolischem Windauge. Von jenen Windaugen leitet sich das englische Wort Window ab.
Gleichzeitig erinnert der Plafond auch an ein umgestürztes Vikingerschiff, unter dem früher im Winter die Stammesführer der Wikinger zusammen kamen, um geheime Ratsversammlungen abzuhalten. Hier im Ratssaal ist allerdings nichts geheim, da jede Sitzung öffentlich zugänglich ist.
Bemerkenswert ist der Trausaal, ein Raum, der extra für gespendete Tapisserien im französischen Stil entworfen wurde. Im Sommer finden hier jeden Samstag Hochzeiten statt. Für 2 Stunden ist der liebliche und romantische Saal geöffnet und die Liste der Angemeldeten, welche sich hier trauen lassen möchten ist lang. 20 Trauungen werden pro Samstag durchgeführt, d.h. alle 6 Minuten ein Jawort! Ob das noch romantisch ist?
Durch die Prinzengalerie mit schönem Blick auf Mariaberget am anderen Ufer und einem großem Fresko von Prinz Eugen, der nicht nur Prinz sondern vor allem ein anerkannter Künstler war, gelangen wir in einen kleineren Raum mit silbernen Vorhängen.
Zu der Zeit, als das Stadshuset gebaut wurde, waren nur 2 Frauen künstlerisch hier tätig. Eine war die Designerin Maja Sjöström, von der fast alle Textilien im Stadshuset entworfen wurden - so auch die prächtigen silbernen Vorhänge, die ein wenig Jugendstileinfluss vermuten lassen und uns an den goldenen Gustav Klimt erinnern.
Einer Anekdote nach, wurde sie gerade rechtzeitig zur Eröffnungsfeier damit fertig. Leider kam sie kurz vor den Feierlichkeiten drauf, dass sie ihr Abendkleid zu Hause vergessen und somit nichts Passendes anzuziehen dabei hatte. Für jede andere Frau eine Katastrophe!
Da die Dame auch eine Schneiderin war, nahm sie kurzerhand ein Stück des silbernen Vorhangstoffes, drapierte es gefällig und ließ es sich von einer ihrer Nähgehilfinnen direkt auf den Leib schneidern. Der Abend war gerettet und nicht nur das. Noch am nächsten Tag sprachen alle davon, dass Maja Sjöström die bestgekleidete Dame des Abends war.
Stadshuset, Goldener Saal |
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Bei festlichen Veranstaltungen spielt die Kleidung natürlich eine große Rolle. Sie muss hochwertig und gut verarbeitet sein, der Schnitt ist wichtig und sie muss zum Träger passen. Als Modedesignerin nimmt man bei Bedarf einfach die Sache selbst in die Hand, wie bei dieser Anekdote eindrucksvoll bewiesen wurde.
Den krönenden Abschluss unseres Rundganges bildet der Goldene Saal. Er wurde von dem damals erst 26-jährigen Künstler Einar Forseth im byzantinischen Stil ausgeführt und ist über und über mit blattgoldverzierten Mosaikteilchen bestückt.
Ragna Östberg schätzte an dem jungen und damals noch wenig bekannten Künstler, dass dieser ebenso weitgereist war wie er selbst und ähnlich wenig Hemmungen bei Einsatz und Kombination verschiedenster Stilrichtungen zeigte.
12 Jahre dauerte die Arbeit am Goldenen Saal und als er schließlich dem mehr als interessierten Publikum vorgestellt wurde, erntete der Künstler teilweise harsche Kritik.
Neben einer allgemeinen Abneigung gegen den byzantinischen Stil (zu viel Gold), wurden vor allem die „Halbnackten” (barbusige Heldinnen bzw. Göttinnen) und die unattraktive „Königin des Mälarsees” an der Nordwand heftig abgelehnt. Dumm nur, dass Einar jene nach dem Ebenbild seiner geliebten Ehefrau gestaltet hatte!
Stadshuset, Prinzengalerie |
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Jedenfalls musste er sich sehr gegen Angriffe und das Ansinnen, alles niederzureißen und von einem anderen Künstler neu gestalten zu lassen wehren. Dass er - seine schwedischen Landsleute völlig richtig einschätzend - darauf nicht unvorbereitet war, zeigt eine Szene rechts an der hinteren Wand, wo Einar vor Gericht steht und sein Werk verteidigt. Uns jedenfalls gefällt der prächtige Saal, in dem nach dem Bankett die Nobelgesellschaft tanzt.
Am Ende der Führung befinden wir uns wieder auf der Treppe, die in den Blauen Saal hinunter führt. Damit Damen wie die Königin, welche hier in langem Kleid und hohen Absätzen majestätisch und erhobenen Hauptes die Stufen hinab schweben können, hat Ragna eine kleine Hilfe eingebaut, die auch wir gleich ausprobieren.
Zwischen dem zweiten und dritten Fenster auf der gegenüberliegenden Seite ist ein Stern in die Mauer eingemeißelt. Behält man diesen im Auge, gelingt es ohne auf die eigenen Füße zu schauen die Treppe sicher hinunter zuschreiten. Naja, die letzten beiden Stufen sind ein bisserl schwieriger, aber sonst - super!
Mit einem Applaus für Mia bedanken wir uns für die kurzweilige Führung, holen unsere Jacken und gehen wieder hinaus in den Schnee.
Kungliga Operan, Blick auf Jakobs Kyrka |
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In einem Bogen stapfen wir durchs winterliche Weiß zuerst zum Sergelstorg und dann durch die Drottninggatan wieder Richtung Gamla Stan. Langsam melden sich unsere Mägen und hätten gerne so etwas wie ein kleines Mittagessen. Als wir bei einem Würstelstand (Würstelbude) vorbei kommen, der diese appetitlichen Stanitzel anbietet beschließen wir, uns auf dieses kulinarische Abenteuer einzulassen. Wir erstehen jeder eine Tunnbrödsrulle.
Das ist so etwas wie das schwedische Hot Dog Plus. Man bekommt ein oder zwei heiße Würstel mit Senf und Ketschup in ein Stanitzel aus Fladenbrot, in das Erdäpfelpüree gefüllt wird. Dazu kann man dann noch Garnitur wie z.B. geröstete Zwiebel (Alexander), Relish (Karin) oder Schrimpssalat haben. Hört sich abenteuerlich an, schmeckt aber gut, macht den Magen voll und die Hände warm.
Wir mampfen genüsslich und schaffen es dank einem kleinen Holzgaberl, das wir dazu gereicht bekommen, unsere Anoraks nicht von oben bis unten zu besudeln. Dazu trinken wir Cola - ebenfalls fleckenfrei.
Beim Kungsträdgarden angelangt schauen wir zuerst zur Jakobskirche. Schon öfter sind wir an dem rot gestrichenen Gotteshaus vorbei gegangen, waren aber noch nicht drinnen. Jetzt hat die Kirche tatsächlich offen und wir können uns ein wenig umsehen.
Neben dem schönen aber für uns nicht herausragenden Interieur fällt uns vor allem eine kleine „Klagemauer” auf, bei der man seine Sorgen oder auch Wünsche und Gebete auf Zettelchen schreiben und in die Spalten zwischen den Steinen legen kann. Der liebe Gott wird sich ihrer dann annehmen. Eine schöne Vorstellung und sicher tröstlich für viele.
Kungliga Operan |
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Gleich neben an befindet sich die Oper. Auch hier ist das Ticketoffice besetzt und wir stellen uns hoffnungsvoll an. Leider, Führungen gibt es nur an Samstagen und während der Weihnachtsferien gar nicht. Ab dem kommenden Wochenende dann wieder aber da sind wir schon zurück in Wien. Also keine Openführung diesmal für uns.
Auf Helgeandsholmen, der Heiligengeist-Insel, kommen wir am Reichstagsgebäude vorbei. 1897 bis 1905 wurde das ursprüngliche Gebäude errichtet und in den frühen 80er Jahren des 20. Jahrhundert umfassend umgebaut. Dies wurde notwendig, weil die beiden Kammern des schwedischen Parlaments zu einer zusammengelegt und somit größere Räumlichkeiten benötigt wurden.
Bei späteren Ausschachtungen für eine Tiefgarage, fand man zahlreiche interessante archäologische Funde aus dem 13. bis 17. Jahrhundert und um diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde die Tiefgarage kurzerhand verkleinert und es entstand kurz darauf das Medeltidsmuseum, in welchem man nun die mittelalterlichen Fundstücke sehen kann.
Gamla Stan, Vasterlanggatan |
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Zum Stortorget schauen wir noch einmal, um einen kleinen Laden mit handgestrickten Norwegerpullis, Fäustlingen, etc. zu besuchen. Die Sachen sind zwar alle nett, vor allem die Metallschließen geben den handgestrickten Teilen ein mittelalterliches Aussehen, passen aber vom Stil ganz und gar nicht zu unseren gestern erstandenen Pullis.
Weiterziehend durch die Gamla Stan, entdecken wir ein Geschäft mit Christbaumschmuck der saisonbedingt abverkauft wird. Lustig, was hier so alles von der Decke und an vielen Ständern hängt. Da sind z.B. dicke Kugelelfen mit Blümchenhüten. Irgendwie lieb und auch sehr tröstlich, dass man selbst aus der Form geraten noch eine Elfe sein kann, aber leider haben die kleinen Geisterchen keine hübschen Gesichter und bleiben deswegen hier.
Wir kommen an einer Galerie mit schönen Aquarellen vorbei, die Stockholm so zeigen, wie wir es sehen - in zarten, kalten Farben. So ein Aquarell würden wir gerne für unsere Bildersammlung an der Küchenwand mitnehmen. Doch leider, das gewünschte kleine Format gibt es hier leider nicht. Dort wo es sehr wohl kleine Bildchen für unsere Sammlung gäbe, gefallen uns diese aber nicht so gut. OK, dann also kein Bild.
Mit dem Bus der Linie 2 fahren wir nun zu einem Nikon-Geschäft in der Nähe des Eriksbergsplan. Alexander möchte sich gerne von Lowepro den neuen Slingshot-Nachfolger anschauen. Vielleicht wird das ja seine neue Fototasche. Das Geschäft ist recht spartanisch ausgestattet, außer ein paar Stativen und Fototaschen gibt es kaum etwas zu sehen. Bei letzteren schauen wir uns um und finden auch tatsächlich ein Modell, welches aussieht wie das gesuchte. Hm, wie funktioniert das?
Nach einiger Zeit kommt ein freier Verkäufer vorbei und fragt nach unseren Wünschen. Von der Tasche hat er schon gehört, aber ob es dieses Modell ist? Und wie es funktioniert? Keine Ahnung!
Stortorget, Brunnen |
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Eine gemeinsame Suche auf Lowepros Homepage beginnt. Der Verkäufer ist zwar sehr nett, hat aber leider keine Ahnung, wie der neue Fotorucksack zu handhaben ist und scheint auch mehr an unserer Herkunft und Karins Englischkenntnissen interessiert zu sein als am Verkauf der Tasche. Nach ein wenig Plaudern und weiterer Suche im Internet verlassen wir den Nikon-Händler unverrichteter Dinge wieder.
Einige Meter weiter haben wir schon mehrmals aus dem vorbeifahrenden Bus Hallen gesehen, die an einen mediterranen Markt erinnern. Da gehen wir jetzt hin und sehen uns das aus der Nähe an. Aha! Also die Östermalmshallen sind das jedenfalls nicht. Keine Ahnung, was an diesen Ständen hier verkauft wird, aber sicher nichts zu essen. Wir schauen uns ratlos an.
Genug jetzt, uns reicht es! Mit dem 2er fahren wir nach Hause ins Hotel und halten nach einem Tee ein Nachmittagsschlaferl. Am Abend wollen wir noch einmal die Gamla Stan bei Nacht genießen. Morgen fliegen wir ja schon wieder heim und so möchten wir noch einmal alle uns lieb gewordenen Gassen gehen, diesmal aber ganz unbeschwert ohne Rucksäcke und Kameras.
Tja und genauso verläuft dann auch der restliche Abend. Ausgeruht schlendern wir Hand in Hand noch ein letztes Mal durchs abendliche Stockholm, schauen uns die beleuchteten Sehenswürdigkeiten an und nehmen die Atmosphäre auf. Nach einer großen Runde beschließen wir den Tag und freuen uns auf den krönenden Abschluss morgen - die Bootsfahrt. Bis dann, gute Nacht!