Einmal im Jahr öffnen in Wien die Gotteshäuser ihre Pforten und laden ein, über Nacht zu bleiben. Zu sehen gibt es nicht nur Berühmtes und Bekanntes wie den Stephansdom oder die Karlskirche, sondern auch die kleine Pfarre ums Eck, wo man eigentlich immer schon einmal reinschauen wollte oder so manches geheime Kleinod, zu welchem sonst der Zutritt verwehrt ist.
2006 findet dieser Event nun schon zum zweiten Mal statt und wir sind gespannt und erstaunt, was uns alles erwartet. Vom klassischen Konzert bis zum Gospel reicht die Palette musikalischer Darbietungen, Führungen von Historikern, Erklärungen von Kunstverständigen, Installationen, die sich mit Gott und Spiritualität auseinander setzen aber auch Großbildschirme, auf denen man nebenbei doch ein Stückchen Fußball-WM verfolgen kann. Das Programm ist vielfältig!
Um möglichst viel davon zu erleben, konzentrieren wir uns auf den I. Bezirk. Hier sind die Orte einfach am dichtesten. Komm mit uns auf diese nächtliche Entdeckungsreise.
Übersicht der besuchten Orte |
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griechisch-orthodoxe Kathedrale - Ein Stück Orient im Herzen Wiens |
Ruprechtskirche - Wiens älteste Kirche |
Maria am Gestade - Unsere liebe Frau auf der Gstetten |
St. Salvator - Die Kirche des Hl. Ottenheim |
Stephansdom - Gott in Farben sehen |
Peterskirche - Ein barockes Juwel in drei Akten |
Minoritenkirche - Jesuslatschen oder ein Mosaik für Napoleon |
Augustinerkirche - Wo die Herzen begraben sind |
Franziskanerkirche - Die älteste Orgel Wiens |
Bernardikapelle - Gute Mönche wissen was schmeckt |
griechisch-orthodoxe Kathedrale |
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Am Fleischmarkt 13, gleich neben dem Griechenbeisl, fühlt man sich plötzlich in den Orient versetzt. Gerade noch haben wir das mittelalterliche Gässchen mit seinen Schwippbögen bestaunt und jetzt stehen wir - zumindest was den architektonischen Einschlag anbelangt - im alten Byzanz.
Schichten aus hellerem und dünklerem Ziegelrot wechseln einander ab, goldverzierte Simse und ganz oben wird das Dach von einer kleinen Kuppel gekrönt.
Eine Orienthandelsgesellschaft hat hier ihren Sitz, sowie ein Vertreiber von Perserteppichen und ein Geschäft für Seidenglühkörper, was immer das auch sein mag. Das Palais wurde ursprünglich 1782 von Peter Mollner errichtet, um den orientalischen Vorbau hat es 1858 Theophil von Hansen erweitert. Ja genau, just jener Architekt, dessen Name uns durch das Wiener Parlament so bekannt ist.
griechisch-orthodoxe Kathedrale |
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Tritt man nun durch das Portal dieses byzantinischen Vorbaus, so ist man in einer anderen Welt. Prächtige Lüster erhellen den mosaikverzierten Säulenwald. Engelsköpfchen blicken zwischen goldenen Efeuranken herab, orientalische Blumenmuster erinnern uns an die Mesquita von Cordoba.
Folgt man dem schrägen Gang noch weiter, so steht man in der griechisch-orthodoxen Kathedrale. Der Raum ist über und über mit goldenen Skulpturen verziert. Weihrauchduft liegt in der Luft und Kerzen flackern im Luftzug der sich ständig öffnenden Tür. An den Wänden sehen wir einige Ikonen, jene Heiligenbilder, die so typisch für die Ostkirchen sind.
Staunend betrachten wir die vielen Kunstgegenstände und lauschen ein wenig den Ausführungen über die griechisch-orthodoxe Gemeinde in Wien. Danach verlassen wir die prachtvolle Kathedrale - es gibt ja noch so viel anderes zu sehen!
Wir befinden uns im ältesten Stadtteil von Wien, dem Gebiet des ehemaligen römischen Vindobona. Hier steht die kleine Ruprechtskirche, die Wiens älteste Pfarrkirche ist. Urkundlich wird sie erstmals 1200 erwähnt, ihre Gründung geht jedoch auf die Zeit zwischen 796 und 829 zurück, als die Salzburger in Wien Einfluss hatten.
Ruprechtskirche |
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Im Westen schließt das so genannte „Praghaus” an die Kirche an. Zeitweilig beherbergte dieses Haus Herzöge, bedeutendste Verwendung fand es jedoch 1500 als Sitz des Salzamtes. Salz war zur damaligen Zeit ein Monopol und wurde hier an den Einzelhandel weiter verkauft.
Wer also künftig seine Beschwerden loswerden will, der weiß zumindest örtlich, wohin er sich wenden kann. Statt vor dem verlassenen Salzamt zu klagen, kann man heutzutage seinen Kummer auch im Lokal gleichen Namens ertränken, das sich gleich um die Ecke befindet. Doch zurück zur Ruprechtskirche.
Sowohl im Inneren als auch am Außenbau fällt hauptsächlich der romanische Stil ins Auge. Die Kirche ist klein und eher schlicht gehalten und hat irgendwie etwas Rührendes an sich. Schön finden wir übrigens, dass dieses Gotteshaus mitten im Amüsement-Viertel „Bermuda Dreieck” jede Freitagnacht ihre Pforten geöffnet hat und so mitten im Trubel einen Ort für Einkehr, Stille und Andacht bietet.
Während wir uns umsehen, zupft Alexander plötzlich an Karins Hosenbein. Er ist in die Hocke gegangen und blickt fasziniert auf einen gläsernen Sarg. Darin befindet sich ein Skelett in prächtigen barocken Gewändern. Nach einigem Herumfragen erfahren wir, dass es sich um den Hl. Vitalis handelt. Ein Märtyrer, dessen Leichnam aus den römischen Katakomben stammt und 1765 von Maria-Theresia St. Ruprecht gestiftet wurde.
Nach einigen Portraits des makaberen Heiligen machen wir uns auf zur nächsten Kirche dieser langen Nacht.
Maria am Gestade |
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Unweit St. Ruprecht liegt eine weitere Kirche, welche beansprucht, die älteste Wiens zu sein: Maria am Gestade.
Auch dieses Gotteshaus findet 1200 erstmals urkundliche Erwähnung. Angeblich soll noch vor dieser Zeit hier einst ein Holzkirchlein von den Donauschiffern errichtet worden sein.
Ende des 14. Jahrhundert gelangte die Kirche in den Besitz der österreichischen Fürstenfamilie Liechtenstein-Nikolsburg, die den Neubau veranlasste.
Die exponierte Lage an einem Steilhang über der Donau - der Name „auf der Gstetten” weist darauf hin, dass es außerhalb des bebauten Gebietes gelegen war - führte dazu, dass das Kirchenschiff auch heute noch einen Achsenknick aufweist.
Der schlanke, gotische Turm mit seinem charakteristischen Steinhelm konnte von den Donauschiffern weithin gesehen werden und diente so auch als wichtiger Orientierungspunkt. Einen weiteren volkstümlichen Namen erhielt die Kirche ebenfalls aufgrund ihrer Lage: da eine breite Treppe hinab zum tiefen Graben führt, wird sie auch „Maria Stiegen” genannt.
Im Inneren sind vor allem die Kirchenfenster bemerkenswert, von denen einige aus Laxenburg „heimgeholt” werden mussten. Die Glasfenster hatten dem guten Kaiser Franz I. so gut gefallen, dass er sie zur Verschönerung in sein Schloss einbauen ließ. Na, also wirklich!
Zusätzlich zu der seltenen Möglichkeit, die Kirche zu betreten, wird hier klassische Musik dargeboten. Zwei junge Mädchen erfüllen den Raum mit den Klängen von Harfe und Violine.
Schon auf dem Weg zu Maria am Gestade sind wir durch die Salvatorgasse gewandert und dort an einem der wenigen Wiener Baudenkmälern aus der Renaissance vorbeigekommen: das Portal der Kirche St. Salvator. Vorbei am „Stoß im Himmel” - dazu gibt es auch eine recht anschauliche Geschichte, allerdings wäre das eher etwas für eine Wiener Sagen-Seite - betreten wir die Salvatorkirche durch den Eingang in der Wipplingerstraße.
St. Salvator |
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Einstmals war das kleine Gotteshaus die private Hauskapelle der reichen Herren von Neuburg. Diese entschlossen sich zu einer Vergrößerung des ursprünglich nur im ersten Stock gelegenen Raumes und erlaubten den Zutritt auch anderen Gläubigen. Finanzielle Absicherung erfuhr das Gotteshaus dadurch, dass man hier spezielle Ablässe käuflich erwerben konnte.
Nach den Erbauern Otto und Haymo wurde die Kirche urkundlich als „Kirche im Ottenheim” erwähnt, woraus schnell Ottenheimkirche wurde. Das veranlasste die Gläubigen dazu, alsbald zum Hl. Ottenheim zu beten, einem Heiligen, den es gar nicht gab. Ihren Gipfel fand die Verehrung, als man in einer verwitterten Marienstatue das Bildnis des heiligen Ottenheim zu sehen glaubte.
Verzweifelt ob solcher kritikloser Heiligenverehrung wandte sich der damalige Kaplan Hanifvogel an Papst Leo X. in Rom. Dieser verdammte schließlich die Verehrung des Hl. Ottenheim mit einer Bulle als Ketzerei. Ebenfalls veranlasste er eine Neuweihe der Kirche auf den Namen des Erlösers Jesus Christus. Seit damals trägt die Kirche nun den Namen St. Salvator.
Seit Oktober 1871 ist St. Salvator alt-katholisch (die Dogmen der Unfehlbarkeit und der Universaljurisdiktion des Papstes werden nicht anerkannt), was lange Zeit zu einem Zerwürfnis mit der römisch-katholischen Kirche führte. Erst 1969 wurde das Interdikt vom damaligen Kardinal König, welcher für seine Offenheit und den Dialog bekannt war, aufgehoben.
In diesem Gotteshaus werden wir sehr herzlich empfangen. In einem Freiraum neben der Orgel befindet sich ein kleines Museum, durch welches ein kundiger Geistlicher führt. Allerlei Interessantes und auch Kurioses bekommen wir zu sehen und zu hören. Nach diesem lehrreichen Aufenthalt wenden wir uns nun Richtung St. Stephan.
Stephansdom |
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Eigentlich haben wir gar nicht vor, St. Stephan einen Besuch abzustatten - unzählige Male schon sind wir mit Gästen oder auch alleine im Dom gewesen, zur Türmerstube hinauf geklettert oder haben die Bummerin besucht, wir wollen lieber Unbekanntes entdecken - doch der Anblick zieht uns einfach magisch ins Innere.
Was denn so magisch ist? Das Riesentor, welches normalerweise nur links und rechts den Eingang freigibt, ist weit geöffnet, sodass man ins Kircheninnere bis zum Altar hineinsehen kann.
Zusätzlich wird der Raum auch abwechselnd in farbiges Licht getaucht, erstrahlt in Blutrot, Violett, Weiß.
Stephansdom |
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„Gott in Farben sehen” ist denn auch der Titel dieser Lichtinstallation, für welche 250 Lampen im gesamten Dom an verschiedenen Stellen platziert sind.
Wir sind fasziniert, wie verändert der vertraute Stephansdom plötzlich wirkt. Natürlich sind Hunderte Menschen hier und trotzdem ist es relativ still.
Kleine Teelichter stehen vor dem Hochaltar, auf Simsen und Geländern. Ein jedes Sinnbild für einen Wunsch, eine Bitte, ein Gebet.
Wie uns geht es vielen anderen auch, überall staunende Gesichter. Abwechselnd spielt die Orgel, singt ein Chor oder wird etwas gelesen. Die Atmosphäre ist einfach großartig und sehr berührend!
Stephansdom |
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Auch die Gelegenheit, ein kurzes Stückchen durch die Katakomben zu gehen, nehmen wir wahr. Wir sehen die Bischofsgruft, folgen einem engen, kalten Gang nach unten, um einen Blick in eine Nische voller Skelette zu werfen und gelangen schließlich über eine kleine Treppe wieder ins Kirchenschiff.
Noch ein paar Minuten geben wir uns dem „Wunder von St. Stephan” hin, als welches wir die heutige Veränderung empfinden und verlassen den Dom anschließend durch das Adlertor.
Peterskirche |
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Unweit des Stephansdomes liegt eine weitere Kirche, die besonders sehenswert ist. Es handelt sich dabei um die Peterskirche - die dritte, um genau zu sein.
Die erste Peterskirche entstand im 4. Jahrhundert als Umbau einer römischen Kaserne von Vindobona. Darauf begründet sich auch die Tatsache, dass wir es hier mit einer weiteren Kirche zu tun haben, welche für sich beansprucht Wiens älteste zu sein.
Heinrich Jasomirgott II. brachte im 12. Jahrhundert die irischen Mönche nach Wien - bei uns heißen sie fälschlicherweise Schotten, was sich von „Scotia minoris” ableitet - und St. Peter verlor an Bedeutung, war ungenutzt und wurde baufällig.
Die zweite Peterskirche ergab sich durch einen romanischen Umbau im Mittelalter, der später gotisiert wurde. Ende des 14. Jahrhundert begann der Zubau der Valentinskapelle. Durch die Jahrhunderte erfuhr St. Peter die eine oder andere Renovierung, welche allesamt privat finanziert wurden, bis das Gotteshaus 1667 in Form der Dreifaltigkeitsbruderschaft Beachtung durch Kaiserhaus und Hochadel fand.
Peterskirche |
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1679 suchte die schwarze Pest Wien heim und forderte viele Opfer. Kaiser Leopold I. gelobte den Neubau der Peterskirche, sollte sich die schreckliche Krankheit aus Wien zurückziehen. Die Seuche wich, der Kaiser hielt sein Wort und so kam es zur dritten und bisher letzten Peterskirche.
Zur Erinnerung daran steht über dem Portal geschrieben: „QVAECVMQVE VOVI REDDAM PRO SALVTE DOMINO” (Was immer ich gelobt habe, will ich dem Herrn für die Rettung erfüllen.)
Das Innere der Kirche ist reich verziert und weist zahlreiche Statuen und Ornamente im Barock- und Rokoko-Stil auf. Die Deckenfresken wurden von Johann Michael Rottmayr ausgeführt, der auch die Karlskirche verschönte. Bemerkenswert sind auch die geschnitzten Holzverzierungen der Gebetsbänke in Form von 3 Engelsköpfen.
In einem Seitenaltar finden wir einen Kollegen des Hl. Vitalis: auch hier ist ein Märtyrer in barocker Kleidung zu sehen, welcher aus den römischen Katakomben stammt. Ja, die Wiener und der Tod, das ist schon eine ganz eigene Beziehung.
Mit kurzen Aufenthalten in der Michaelerkirche und der Hofburgkapelle, die beide zum Bersten voll mit Menschen sind, führt uns unser nächtlicher Weg zur Minoritenkirche.
Minoritenkirche |
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Minoritenkirche |
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Einst stand auf dem Grundstück nahe der Ringmauer das Katharinenkircherl, welches 4 mindere Brüder (fratres minores = Minoriten) von Herzog Leopold VI. erhielten. Die Minoriten kamen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhundert auf Geheiß des Hl. Franz von Assisi nach Wien, der damit Leopolds Bitte an ihn nachkam.
Zwei Stadtbrände machten Kirche und Kloster dem Erdboden gleich, sodass Ottokar II. Przemysl 1276 den Grundstein zu einer neuen Kirche legt, die im Stil der französischen Gotik errichtet wurde. Der Bau dauerte sehr lange und soll ca. 1350 abgeschlossen worden sein.
Etwa zu dieser Zeit bekam die Kirche auch einen neuen Namen. Einer Sage nach wurde von einem Minoritenbruder ein großes Kreuz aus der Donau gefischt und im Dom zu St. Stephan aufgestellt. Zum Erstaunen aller war das Kreuz am nächsten Morgen verschwunden und fand sich unerklärlicher Weise in der heutigen Minoritenkirche wieder. Das wiederum trug dieser den Namen „Zum heiligen Kreuz” ein.
Zwei Türkenbelagerungen, Besetzungen durch die Protestanten und zu guter Letzt ein starker Sturm, machten dem Aussehen des hohen, schlanken Turmes sehr zu schaffen, da er weithin sichtbar des Öfteren als Zielscheibe herhalten musste.
1761 hatten die Kirchenväter dann endgültig genug und ersetzten den kaputten Helm des Kirchturms durch ein Flachdach, mit welchem es später keine Probleme mehr gab.
1783 drücke Kaiser Leopold II. seine besondere Wertschätzung gegenüber den Minoriten aus, indem er ihre Übersiedlung in ein Kloster im Alsergrund sowie ihren geistlichen Beistand für das nahe gelegene Krankenhaus anordnete. Die Brüder konnten sich vor Freude gar nicht halten - oder was.
Weiters schenkte Leopold die Minoritenkirche der Italienischen Kongregation, welche den Namen „Maria Schnee” von der Katharinenkapelle auf diese nunmehr ihre Kirche übertrug. Der Name kommt vom Altarbild von Christof Unterberg, einer Kopie des Gemäldes das sich in Sta. Maria Maggiore in Rom befindet.
Neben dem Hochaltar fällt dem Besucher natürlich auch sofort eine Kopie von Leonardo da Vincis Das letzte Abendmahl auf.
In Wien trägt Jesus standesgemäß Jesuslatschen |
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1809 gab Napoleon dem römischen Mosaikkünstler Giacomo Raffaeli den Auftrag eine Kopie des Werkes, welches in Sta. Maria delle Grazie in Mailand ausgestellt ist, anzufertigen.
Die Technik des römischen Mosaik, wo kleinste Steinchen ohne Zwischenraum aneinander gefügt werden, dauerte so lange, dass das Mosaik erst fertig wurde, als Napoleon schon lange kein Kaiser mehr war.
Im Unterschied zum Original in Mailand, hat der Wiener Jesus Sandalen an, die in Sta. Maria delle Grazie durch einen Torbogen verdeckt sind.
1957 erhielten die Minoriten ihre Kirche wieder zurück. Der italienische Einschlag ist aber immer noch unverkennbar, da viele Beschriftungen nach wie vor zweisprachig sind. Unterstrichen wird die Nähe zu Italien in der heutigen Nacht auch durch die musikalische Darbietung einer „Italienischen Messe”.
Nach einem Blick in die kleine Seitenkapelle, in der es uns vor allem die Votivtafeln angetan haben, verlassen wir die Minoritenkriche, um uns noch weitere Gotteshäuser im Umkreis anzusehen.
Nach kurzem Stopp in der Hofburgkapelle - sie ist so gesteckt voll, dass wir keinen vernünftigen Platz mehr finden - finden wir uns in der Augustinerkirche wieder. Obwohl die Kirche ringsum von Gebäuden der Hofburg eingeschlossen ist, scheint der Innenraum erstaunlich hell und luftig.
Friedrich der Schöne lernte in Gefangenschaft Augustiner Eremiten kennen, die ihn so beeindruckten, dass er ihnen 1327 bei seiner Rückkehr nach Wien Kirche und Kloster stiftete. Die Kirche wurde 1330 - 1339 erbaut. Ihre Fertigstellung und spätere Einweihung erlebt Friedrich jedoch nicht mehr, da er bereits 1330 das Zeitliche segnete.
Die Augustinerkirche ist auch jener Ort, an welchem der berühmte und viel zitierte Abraham a Santa Clara, der sprachgewaltigste Prediger des 17. Jahrhundert, während seiner Zeit in Wien seine Reden unters Volk donnerte. Eine Gasse, die seinen Namen trägt, ist hier gleich ums Eck.
1634 bis 1783 war die Augustinerkirche Hofpfarrkirche und Ort der Hochzeiten des Herrscherhauses. So gibt es auch das eine oder andere lustige G'schichterl von diesen feierlichen Begebenheiten. Von Napoleons Hochzeit mit Marie Luise sagt man beispielsweise, dass für Napoleon gleich mehrere Eheringe gefertigt wurden, da man seine Ringgröße nicht wusste.
Die Geschichte wäre heutzutage wohl etwas anders verlaufen. In der modernen Zeit hätte man Napoleon vor seiner Hochzeit eine große Auswahl der verschiedensten Eheringen vorlegen können. Die unterschiedlichsten Größen oder Stilarten – für jeden erdenklichen Finger. Hergestellt aus hochwertigen Materialien, sei es Gold, Titan, Silber oder sogar auch Eheringe aus Carbon.
Franz Josephs Vermählung mit Sissi wiederum brachte dem trauenden Fürsterzbischof Othmar Rauscher einen neuen Spitznamen ein. Bei der Hochzeitszeremonie soll er so endlos lang gepredigt haben, dass er fortan nur mehr „Erzbischof Plauscher” genannt wurde.
Das Pyramidengrab auf der rechten Seite zieht unsere Blicke an. Herzog Albrecht von Sachsen-Tesche widmete es seiner Gemahlin Erzherzogin Marie Christine, einer Tochter Maria Theresias. Antonio Canova schuf es 1805. Tatsächlich ist Marie Christine jedoch in der Kapuzinergruft bestattet.
Eine weitere Besonderheit der Augustinerkirche ist das so genannte Herzgrüfterl. Die 1624 von Kaiserin Eleonora ursprünglich als Loretokapelle gestiftete zweite Hofkapelle wurde zur Herzgruft, als der junge König Ferdinand IV. bestimmte, dass man sein Herz zu Füßen der Marienstatue begraben sollte.
21 silberne Urnen halten nun die Herzen der Habsburger zu Marias Füßen verschlossen, während ihre Leiber in der Kapuzinergruft ruhen. Die letzte Herzbestattung von Erzherzog Franz Karl fand 1878 statt. Die Führung durch das Herzgrüfterl schaffen wir in dieser Nacht nicht. Wir müssten eine halbe Stunde warten und fürchten, inzwischen einzuschlafen.
So begnügen wir uns mit dem Betrachten des Kircheninneren, wo uns vor allem die Kombination des ultra-modernen Altars mit dem antiken Ambiente sehr gefällt und verlassen nach einigen Takten eines klassischen Werkes, welches von einem Orchester oben bei der Orgel gespielt wird, das Gotteshaus.
Am Franziskanerplatz, gleich vis-a-vis von Hanno Pöschls „Kleines Café”, ist die vorletzte Station unserer heutigen Tour durch die Kirchen von Wiens Innerer Stadt. Hier steht die Franziskanerkirche zum Hl. Hieronymus und hält ihre Pforten weit für die Besucher geöffnet.
Franziskanerkirche |
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Nachdem das vom Hl. Johannes Kapistran gegründete Ordenshaus in der Laimgrube im VI. Bezirk 1529 bei der zweiten Türkenbelagerung zerstört wurde, mussten die Franziskaner einige Jahrzehnte lang mit Notunterkünften auskommen.
Erst 60 Jahre später überließ ihnen die Stadtgemeinde Wien das im 14. Jahrhundert erbaute und nun leerstehende Büßerinnenkloster zum Hl. Hieronymus.
Das Büßerinnenkloster wurde einst von reichen Bürgern für ehemalige Dirnen gestiftet, die ihrem liederlichen Gewerbe entsagen und den Weg zurück zu Gott finden wollten.
Dies gelang den Damen jedoch mehr schlecht als recht, sodass sie samt ihrer „Mutter” Juliana Kleeberger, die 1553 verstarb, einen wenig Gott gefälligen Lebenswandel führten.
Die Franziskanerkirche zählt zu den ganz wenigen Wiener Sakralbauten im Renaissance-Stil. Im Inneren findet man reich verzierte Seitenaltäre und eine Statue mit Namen „Madonna mit der Axt”. Einst wollten Protestanten sie zerstören, doch die Marienstatue widersetzte sich sowohl dem Feuer, als auch dem Versuch, sie zu zerhacken. Die Axt ließ man zum Gedenken an ihren Widerstand in ihrer linken Schulter stecken und verehrt sie nunmehr in dieser Form.
Auch einem weiteren Skelett in barockem Gewand begegnen wir hier, dem dritten an diesem Abend, bevor wir uns hinter den Altarraum begeben. Hier finden wir in der Wöckerlorgel Wiens älteste Orgel. Das Instrument wurde 1642 gebaut und ist auch heute noch spielbar.
Da wir uns kaum noch auf den Beinen halten können - nach beinahe 5 Stunden Kopfsteinpflaster brennen unsere Füße trotz dicker, weicher Schuhsohlen wie das Fegefeuer - beschließen wir noch eine allerletzte Kirche zu besuchen und gehen zum Heiligenkreuzerhof.
Der Heiligenkreuzerhof in der Schönlaterngasse, einem verwinkelten Gässchen mitten in der Innenstadt, ist schon seit dem 12. Jahrhundert als Wirtschaftshof der Mönche von Heiligenkreuz bekannt und urkundlich erwähnt. Hier haben die Ordensbrüder ihre landwirtschaftlichen Produkte aus dem niederösterreichischen Ordenshaus in die Stadt gebracht und verkauft.
Der Hof ist sehr ruhig gelegen und hat eine ganz eigene Atmosphäre. In der Adventszeit wird hier an den Wochenenden ein Kunsthandwerksmarkt abgehalten, den wir schon manchmal besucht haben. Doch heute blühen die Rosenbüsche, die an die Laternen gepflanzt wurden, vor der Kapelle stehen Heurigenbankerln und es wird Klosterwein ausgeschenkt. Gute Mönche wissen eben wirklich was gut schmeckt!
Unter den Häusern gibt es romanische Keller, die bis auf die Babenberger zurückgehen. Während des Kapellenbaus wurden ebenfalls 3 Stock tiefe Keller gegraben, welche den Wiener:innen im Türkenkrieg 1683 als Zufluchtsort dienten.
Auch diese Kapelle ist gesteckt voll. Kein Wunder, ist sie doch normalerweise nicht zugänglich. Der Innenraum ist über und über mit goldenen Verzierungen aus der Zeit des Hochbarocks bedeckt. Die Skulpturen stammen von Giovanni Giuliani, dem Lehrmeister Raphael Donners, der u.a. den Donnerbrunnen gestaltet hat.
Aufgrund des großen Andrangs und der fortgeschrittenen Stunde - wir können mittlerweile kaum noch gehen - bleiben wir hier nur einen kurzen Augenblick und machen uns anschließend auf den Weg zur U-Bahn am Schwedenplatz.
Hier, am Ausgangspunkt unserer persönlichen langen Nacht, beschließen wir diese auch wieder. Wir finden diese Initiative der christlichen Kirchen Wiens großartig, da sie kunsthistorische Schätze der Öffentlichkeit zugänglich macht und sicherlich viele Menschen - wenn auch nur eine Nacht lang - in die Kirchen holt, die sonst fern blieben.
Uns hat es gefallen und wir freuen uns, im nächsten Jahr andere bekannte und unbekannte Gotteshäuser zu entdecken.
Weitere Fotos von unserem Spaziergang durch die lange Nacht der Kirchen findest Du in unserem Fotoalbum .
Reiseservice Cottbus |
Eine gute Idee breitet sich aus. In Berlin und Cottbus heißt das dann "Nacht der Offenen Kirchen". |