Delft, Markt |
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Rathaus |
Heute haben wir beide gut geschlafen! Die Leute waren entweder des Feierns müde oder haben es woanders getan, es war jedenfalls wunderbar ruhig in der Nacht. Und dank ausgetüftelter Drappier-Technik war auch der Spalt, durch den das Licht auf Karins Bett fällt, kaum mehr vorhanden.
Wir machen uns ein gutes Frühstück mit Spiegelei plus auf Toast, Tee und dem Rest O-Saft, der noch da ist. Dann heißt es zivilisieren und über die Rezeption zum Auto. Bei ersterer reklamieren wir das ungehorsame Verhalten des Trockners und bekommen nebst einer weiteren Münze auch die Erklärung: sobald man die Türe des Trockners schließt, nimmt er die Münze und das war’s für diese Runde. Also alle Einstellungen etc. vorher machen und dann erst die Türe schließen. Dann klappt’s auch mit dem Trockner. Ok, gemerkt. So werden wir halt vor unserer Abreise noch einmal waschen.
Heute sind die Strecken zu unseren Tageszielen nur ganz kurz. Erster Halt ist Delft, angeblich eines der verträumtesten Städtchen hier in Holland. Und das ist wirklich wahr!
Als wir vom Parkplatz zum Marktplatz gehen, scheint irgendwie noch alles zu schlafen. Aber sehr nett ist es hier! Beschattete Grachten mit Seerosen (Seerosen! In Grachten!), schöne alte Gebäude, nette Lokale und Läden.
Die Grachten von Delft wurden von Anfang an in der Stadtplanung berücksichtigt. Die ältesten von ihnen umschließen die Altstadt und sind an die 750 Jahre alt. Grachten spielen sowohl in der Geschichte als im aktuellen Transportwesen nach wie vor eine wichtige Rolle in Delft. So gibt es z.B. immer noch Grachtentaxis, die man entweder herbei winken oder auch telefonisch bestellen kann.
Da wir ein bisschen früh dran sind, alles hat noch zu, und Alexanders Magen nach einem Gabelfrühstück verlangt, kehren wir bei Bagel & Beans am Markt ein. Karin gönnt sich einen Joghurtdrink mit Matcha, Alexander ein bisschen was Festeres, beide nehmen wir einen Cappuccino dazu.
Delft, Sint Agathaplein |
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Delft, Klostergarten Sankt Agatha |
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Wir genießen die ruhige Idylle: Sonne, blauer Himmel, erste Touristengruppen. Das Stadhuis van Delft (Rathaus) und die Nieuwe Kerk schauen wir uns von außen an. Wir stellen fest, dass Kirchen sonntags für Besucher geschlossen sind. Irgendwann will scheint’s der Herrgott auch seine Ruhe. Sie sei ihm gegönnt.
Nur einige hundert Meter von der Nieuwe Kerk steht auch die Oude Kerk, welche von den Delftern auch liebevoll „Scheve Jan” (schiefer Jan) genannt wird. Die Bezeichnung hat sich die Alte Kirche aufgrund ihres schiefen Kirchturms verdient. In beiden Kirchen gäbe es Gräber holländischer Berühmten zu sehen, aber wie gesagt leider nicht am Sonntag.
Gleich neben der Oude Kerk steht ein wunderschönes, altes Kloster, das auch das ehemalige Wohnhaus von Wilhelm von Oranien ist, in welches er 1572 einzog. Das ehemalige Sint-Agatha-Kloster wurde zur Residenz des Stadthalters, der für sich und seine Familie einen sicheren Wohnort benötigte. Die verbleibenden Nonnen wurden in den Südflügel untergebracht, wo die letzte Nonne 1640 verstarb.
Delft, Oosteinde |
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Da Wilhelm durch sein Erbe des Fürstentums Orange den Prinzentitel erwarb, wurde die Residenz somit in „Prinsenhof” umbenannt. Von 1572 an lebte Wilhelm von Oranien hier und auch zwei seiner Kinder wurden im Prinsenhof geboren. 1584 wurden die Gebäude auch zu seinem Sterbeort, da Wilhem im Juli an einer eigens für ihn neu errichteten Treppe einem Attentat zum Opfer fiel. Die Einschusslöcher an der Wand bei der Treppe sind immer noch zu sehen und im heutigen Museum sind Szenen des Attentats nachgestellt.
Wilhelm von Oranien gilt den Niederländern als Vater des Vaterlands, denn er führte erfolgreich einen Aufstand gegen die spanischen Besatzer, und damit schlussendlich die Niederlande zur Unabhängigkeit. Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit, zwei Werte auf, welche die Niederländer zurecht besonders stolz sind, wurden von Wilhelm vorgelebt.
Delft, Oude Delft |
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Delft, Oosteinde |
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Das alte Delft rund um den Sint Agathaplein ist wirklich besonders romantisch. Das Gemeenlandshuis mit seiner wunderschönen spätgotischen Fassade, dessen Eingangstor üppig mit Wappen geschmückt ist, der alte Klostergarten im Prinsenhof, wo auch eine moderne Sitzbank ganz aus blau-weißer Keramik steht, sind allesamt sehr sehenswert. Lustig, dass Karin heute in den gleichen Farben wie der Keramik-Sitz gekleidet ist. Fast wie im Tarnanzug sieht sie aus, als sie für ein Foto auf die Bank klettert!
Da es heute wirklich sehr heiß ist, kehren wir zu Mittag nur auf ein Getränk in einen Schanigarten an einer schattigen Gracht ein. Zweite Reihe hinterm Marktplatz, wo es noch etwas ruhiger ist. Sehr fein ist es hier im kühlen Schatten zu sitzen und vom alten Delft zu träumen.
Delft, Royal Delft |
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Brunnen |
Delft, Royal Delft |
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Rembrandts Nachtwache |
Als wir später die Stadt mit dem Auto wieder verlassen, bleiben wir noch bei der Royal Delft Factory, der „Königlichen Porzellanflasche” stehen. Das muss einfach sein, wenn wir schon einmal da sind.
Im 17. Jahrhundert gab es in Delft ca. 32 Porzellanmanufakturen, nachdem Porzellan erstmalig durch holländische Seefahrer aus China eingeführt wurde. Auch die Niederländische Ostindien-Kompanie brachte große Mengen an chinesischem Porzellan mit blauen Motiven auf weißem Grund aus dem Fernen Osten, welches sich großer Beliebtheit unter den Holländern erfreute. Die niederländischen Töpfer begannen darauf dies zu imitieren. Heute ist „Königliche Porzellanflasche” die einzig übrig gebliebene der Manufakturen.
Blau-weiß soweit das Auge reicht, fast aber nicht ganz alles ist in diesen Farben. Es gibt auch eine zeitgenössische Ausstellung über eine junge Modemacherin. Sehr außergewöhnlich, lockert aber das traditionelle Zwiebelmuster etc. äußerst angenehm auf.
Auch ein kleiner begrünter Kreuzgang ist vorhanden, um verschiedene Arten von Baukeramik zu zeigen. Sehr hübsch!
Beim Wegfahren sehen wir noch etwas ganz Entzückendes: einen Firmenwagen, es ist ein Fiat 500, der ganz wie ein Keramikauto aussieht. Da weiß man gleich, wofür geworben wird!
Gouda |
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Gouda, Markt |
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Unser nächster Besichtigungsort für den heutigen Tag ist Gouda, die berühmte Käsestadt. Der Käsemarkt findet von April bis August immer donnerstags Vormittag statt. Heute ist Sonntag, also werden wir dieses Spektakel nicht erleben. Dafür ist die Chance auf etwas weniger Touristen und etwas mehr Ruhe damit größer.
Die Stadt Gouda selbst ist sehr hübsch, aber auch sehr klein.
Wir machen einen Spaziergang durch das romantische Städtchen. Das Goudamuseum, untergebracht im ehemaligen „Katharinengasthaus”, einem wahrscheinlich klösterlichen Siechenheim mit eindrucksvoller Kapelle, lockt nicht nur mit Kunst und Geschichte, sondern auch mit einem netten Kaffeehaus im schattigen Innenhof der alten Gemäuer.
Unter bunten Sonnenschirmen kann man hier an ebensolchen Tischchen Platz nehmen und Kaffee und Kuchen genießen. In der Jeruzalemstraat befindet sich eine weitere sehenswerte Kapelle aus dem 15. Jahrhundert sowie ein Waisenhaus aus 1642. Beides sehen wir uns nur von außen an.
Ein wenig schlendern wir noch durch die Stadt und kehren dann wieder an unseren Ausgangspunkt zurück.
Hier fällt uns auf, dass das Rathaus auf dem großen Markt ganz alleine und frei steht. Wie außergewöhnlich!? Ein Besuch ist um €2,50 p.P möglich und offen ist auch. Los, das machen wir!
Während der durchwegs interessanten Besichtigung erfahren wir auch, dass das Gebäude wegen insgesamt dreier Brände freisteht. Im Sommer 1438 war der Großbrand, der fast die gesamte damalige Stadt Gouda in Schutt und Asche legte.
Danach hatten die Einwohner von Gouda genug von überspringenden Flammen, Zerstörung und Wiederaufbau. Sie haben um das neue Rathaus ganz viel Platz gelassen, damit ein etwaiges weiteres Feuer nicht übergreifen kann und sich besser löschen lässt.
Das Rathaus selbst ist ein wirklich schönes gotisches Gebäude, in dem fast alles zu besichtigen ist. In unserem eigenen Tempo, ohne viel andere Besucher. Sehr fein!
Neben Trausaal, Bürgermeisterbüro und Ratssaal ist auch noch das Glockenspiel von 1961 erwähnenswert. Unter seinen mechanischen Puppenfiguren nimmt Floris V. eine besondere Rolle ein. Dieser Graf war es denn, von dem Gouda 1272 das Stadtrecht erhielt.
Beim Weiterfahren halten wir zum Lebensmittel Bunkern bei einem Albert Hejn. Da wissen wir schon, was wir bekommen und kennen uns allmählich aus. Ausgestattet mit dem Nötigsten plus ein paar Leckereien für eine gute Laune geht es nochmal weiter zu unserem letzten Ausflugsziel für den heutigen Tag, den Kinderdeijkse Molens (Mühlen von Kinderdeich).
Kinderdijk, Windmühle |
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Kinderdijk, Windmühle |
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Eine sehr noble Gegend ist das hier rund um das UNESCO Weltkultur Erbe. Villen stehen rund um einen idyllischen Weiher und da es Sonntag und wirklich heiß ist, fahren Leute mit Booten auf dem Wasser und plantschen darin zur Abkühlung.
Entlang eines Kanals befinden sich dann beidseitig viele Windmühlen. Es ist 17:00 und damit schon recht spät. Die Mühlen haben bereits geschlossen, aber eine Bootsfahrt am Kanal ist noch möglich und so können wir uns alles im Vorbeifahren ansehen. Da unser Tag bereits recht lang war, passt diese Art der Besichtigung light bestens für uns.
Zu sehen gibt es Wasser, Schilf, Gänse im Gänsemarsch und sonstige Wasservögel und natürlich Mühlen aller Art. Genauer gesagt sind es eigentlich 3 Arten, nämlich die Nederwaard- und die Overwaard-Mühlen und De Blokker. Jeder dieser Mühlenarten hat eine eigene, charakteristische Bauweise, rund, achteckig oder eine sogenannte Kokerwindmühle.
Kinderdijk, Windmühle |
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Alles ist äußerst gepflegt und manche Mühlenhäuschen sind nochmal ganz besonders herausgeputzt mit blumengeschmückten Stegen und lackierten Holzbänkchen. Holländischer kann man sich eine Landschaft kaum vorstellen.
Wir machen viele Fotos vom gebotenen Anblick und genießen die kurze, gemütliche Fahrt. Dass es nur kurz dauert, kommt uns gerade recht, denn irgendwas blüht hier, auf das Alexander leider allergisch reagiert. Er leidet an und für sich an Heuschnupfen und hier fangen Augen und Gaumen plötzlich ganz schlimm zu jucken an. Sehr arm! Kaum, dass die Bootstour zu Ende ist, steigen wir auch schon wieder ins Auto und fahren zurück nach Rotterdam.
Kinderdijk, Windmühle |
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Hier, wo es mehr Beton und weniger Grünzeug gibt, geht es Alexander gleich besser. Nachdem wir das Auto am Parkplatz abgestellt und unsere Siebensachen ins Apartment gebracht haben, gehen noch Abendessen zur Markthalle.
Innen ist bereits geschlossen, aber außen gibt es viele Lokale, die größtenteils bis 24:00 geöffnet sind. Wir gehen einmal rundherum, um uns einen Überblick zu verschaffen und entscheiden uns schließlich für das gut besuchte griechische Restaurant Elliniko.
Eigentlich wollten eine gemischte Vorspeisenplatte, bekommen aber gemischte Grillplatte. Für eine Person, zu zweit. Zuerst sind wir verdutzt, nehmen den Irrtum dann aber hin. Das Fleisch ist zart und alles ist ganz frisch zubereitet. Es schmeckt uns hervorragend und stellt sich als eine sehr gute Wahl heraus!
Kinderdijk, Windmühle |
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Am Weg nach Hause machen wir noch einen Umweg zu De Ijssalon auf der Meent. Das Eis hier ist der pure Genuss! Heute gibt es Maghreb, irgend so eine orientalische Sorte mit Datteln und dazu Pistazie für Alexander und Passionsfrucht für Karin. Zum Niederknien!!!
Eis schleckend schlendern wir nun heim in unser Apartment. Wir sind voll vom guten Essen und müde von unserem ereignisreichen Tag. Den Sonnenuntergang genießen wir bereits vom Bett aus und schlafen bald darauf selig ein. Gute Nacht!