Als Iz heute morgen zu singen beginnt, krabbelt Karin zuerst einmal ins Badezimmer und dreht das Wasser in der Dusche auf. Dann nochmal ins Bett zum Dösen bis der Gebirgsquell eine Temperatur erreicht hat, die man auch bei Ganzkörperkontakt überlebt - wir sind ja schließlich lernfähig.
Alexander hat ganz gut geschlafen und scheint wieder völlig restauriert zu sein. Wie schön, dann steht ja dem Beobachten des Kondorfluges, welches heute am Programm steht, nur mehr die Laune der Tiere im Wege, die sie eventuell von touristenfreundlichem Verhalten abhalten könnte.
Doch zunächst geht es mal ab in die zwischenzeitlich warme Dusche, danach unsere sieben Zwetschken in die Reisetaschen verstaut und zum Frühstück, wo wir auch schon die anderen Grupenmitglieder treffen. Die morgendliche Mahlzeit reiht sich nahtlos an das gestrige Abendessen - macht satt ohne jedoch ein kulinarischer Höhepunkt zu sein.
Pünktlich sind wir dann alle mit unserem Gepäck beim Bus und warten … und warten und warten, denn es ist weit und breit kein Hermann in Sicht. Schließlich wird es Helga zu bunt und sie fragt unseren Chauffeur, wo denn der Reiseleiter steckt. Eilfertig wieselt jener davon um eine Antwort zu beschaffen.
Nach einigen Minuten kommt er wieder und wirkt etwas zerknirscht. Was ist denn los? Naja, Hermann hat verschlafen und ist gerade erst aufgewacht. Wir nehmen's gelassen.
Als unser Reiseleiter dann auftaucht - geduscht aber ohne Frühstück - geht es auch gleich los. Zunächst nur ein ganz kurzes Stück, nämlich zur Plaza de Armas in Yanque. Hier gibt es schon in aller Früh einen kleinen Souvenirmarkt und noch etwas, das die Tourist:innen anlockt: den Wititi Tanz.
Rund um den Brunnen drehen sich Gestalten in zweierlei Kostümen im Kreis. Die einen sind junge Frauen in langen Röcken, weißen Blusen, bunten Westen und mit weißen Hüten auf den schwarzen Zöpfen. Die anderen tragen ebenfalls lange Röcke, braune Jacken und rote oder blaue Kopfbedeckungen mit Fransen und Bändern vor dem Gesicht. Das sind junge Männer! Wir sind erstaunt.
Die Legende besagt, dass die eigenartige Verkleidung der Herren daher kommt, dass sie einst unbemerkt mit den streng behüteten Mädchen tanzen und so weiter wollten und sich daher als Frauen verleideten. Die Chimäre flog erst auf, als die Mädchen nach und nach um die Mitte immer dicker wurden und nach den gar nicht so unschuldigen Tänzen Kinder zur Welt kamen.
Heute wird dieses Schauspiel natürlich nur mehr für die Besucher:innen aufgehalten. Trotz der frühe Morgenstunde ist die Gelegenheit, sich als Tänzer:in zu zeigen bei den jungen Leuten heiß begehrt. Kein Wunder, bringt es doch meist auch ein wenig Trinkgeld fürs Fotografieren ein.
Colca Canyon, Cruz del Condor, alle warten |
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Nach Tanz und Markt geht es nun weiter zum Cruz del Condor, zum Kreuz des Kondors im Colca Canyon. Diese Schlucht ist mit ihren vom höchsten Berggipfel bis zum Fluss gemessenen 3200 Metern der zweittiefste Canyon der Welt.
Am frühen Morgen, so zwischen 8 und 10 Uhr, herrscht hier eine Morgenthermik, die von den Vögeln gerne genutzt wird, um ruhig kreisend in die Lüfte aufzusteigen, nachdem sie sich zuvor auf dem sonnigen Abhang das Gefieder aufgewärmt haben.
Obwohl die Kondore bei gutem Wetter fast jeden Morgen hier aufsteigen, ist es doch ein Naturschauspiel und damit auch mit ein wenig Glück verbunden. Buchen kann man das Ereignis also leider nicht.
Colca Canyon, Cruz del Condor |
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Doch wir haben Glück! Als wir nach knapp einer Stunde Fahrt durch eine schöne Landschaft mit Terrassen am Cruz del Condor ankommen sind nicht nur Unmengen anderer Touristen da, sondern auch viele Kondore.
Besonders hübsch sind diese Tiere, die zu den Geiern zählen, ja nicht unbedingt. Etwa einen Meter lang und ca. 12 kg schwer sind die Vögel. Je nach Alter bräunliches bzw. schwarz-weißes Gefieder und einen rötlichen gefärbten Kopf haben sie, welcher bei den Männchen auch noch mit einem fleischigen Kamm geziert ist.
Wirklich bemerkenswert ist die Augenfarbe - blau bei den Männchen, rot bei den Weibchen - und natürlich die majestätischen Flügel, die eine Spannweite bis zu 3,20 Metern erreichen kann. Ebendiese ermöglicht den von uns so sehr bewunderten, eleganten Flug.
Colca Canyon, Cruz del Condor |
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Wir suchen uns einen guten Platz und los geht eine Fotosession, die ihresgleichen sucht. Alexander packt das Tele aus, Karin bemüht sich um eine stabile Auflage für die Arme und es wird geknippst was das Zeug hält. Kondore im Sitzen, Kondore im Schweben, Kondore im Landeanflug, beim Aufsteigen und wieder Absinken.
Viele andere Besucher:innen tun es uns gleich und so hört man ein permanentes Klicken während die Kondore majestetisch ihre Kreise ziehen.
Als wir uns nach etwa 1 Stunde dann satt gesehen haben - kann man das jemals? - machen wir noch eine kleine Wanderung entlang des Colca Canyons. Wirklich beeindruckend ist die Landschaft hier!
Colca Canyon, Cruz del Condor |
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Steil fallen die Hänge zum kaum sichtbaren Flüsschen ab, der Himmel über uns ist quietschblau und ganz nah. Blumen blühen überall und ihre leuchtenden Farben lassen sie wie Juwelen zwischen dem staubigen Graugrün der Felsen und der trockenen Gräser funkeln.
Zurück beim Bus tauschen wir uns noch ein wenig über unsere Erlebnisse aus, bevor jeder wieder auf seinen Platz klettert und die lange Fahrt nach Arequipa beginnt. Glücklicherweise erst einmal mit einer nur kurzen Etappe, da wir in einem nicht allzu weit entfernten Dorf eine Mittagsrast einlegen.
Hermann empfiehlt uns ein, zwei Lokale direkt am Hauptplatz und wir machen einen Treffpunkt eine Stunde später aus. Die meisten von uns entscheiden sich für ein kleines Restaurant, in dem frische Pizza aus dem Holzofen angepriesen wird.
Bei der Bestellung wird uns mitgeteilt, dass die Pizza ca. 25 Minuten dauert. Na, das werden wir wohl erwarten. Tatsächlich haben wir dann gut eine Stunde auf unsere Mafiakuchen gewartet.
Colca Canyon, Cruz del Condor |
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Colca Canyon, Cruz del Condor |
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Colca Canyon, Cruz del Condor |
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Das Essen war recht gut und wirklich frisch. Sogar die Zutaten wurden vor unseren Augen und Ohren gerade erst im Dorfladen gekauft, da nichts vorrätig war. Mit ein Grund dafür, dass die Wartezeit doch etwas länger ausfiel.
Als wir dann endlich doch alle gegessen haben - mittlerweile hat sich auch Hermann schon auf die Suche nach uns aufgemacht - zahlen wir und begeben uns auf den nun leider wirklich langen Weg nach Arequipa.
Colca Canyon, Nähe Maca, kleiner Markt |
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Hermann verkürzt uns die Fahrt mit Literaturtipps, handverlesener Musik von seinem iPod sowie Geschichte und Geschichten von Arequipa.
Wir lernen unter anderem den Hausberg Misti kennen, einen Vulkan von über 5.800 Metern Höhe, und dass der Beiname „weiße Stadt” eher nicht auf die aus weißem Sillar-Gestein erbauten historischen Gebäude zurückzuführen ist, sondern auf die helle Hautfarbe der einst hier ansässigen Spanier, welche den Indigenas verboten in der Innenstadt von Arequipa zu leben.
Während wir uns unserem Hotel nähern hat Helga nach MEZ Geburtstag. Wie es bei uns mittlerweile üblich ist bringen wir ein lautes, falsches aber sehr herzliches Ständchen im Bus dar und überreichen ein kleines Geschenk. Helga freut sich und wir haben etwas Abwechslung.
Bald darauf kommen wir bei unserem Hotel, der Casa de Melgar an. Es handelt sich dabei um ein koloniales Wohnhaus aus dem 18. Jahrhundert, welches konserviert und zu einer touristischen Unterkunft umgewandelt wurde.
Chivay, Plaza de Armas |
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Nationalpark, Salinas y Aquada Blancas, Vikunjaherde |
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Sehr stimmungsvoll reihen sich kleine begrünte Innenhöfe aneinander, rings um welche Zimmer zu ebener Erde und im 1. Stock verteilt sind. Alles ist dekoriert mit Antiquitäten und altem Zierrat.
Unser Zimmer ist ganz hinten am Ende eines kleinen Gartens. Es ist ein recht hübscher, sehr hoher Raum mit einem verhältnismäßig großen Badezimmer. Das schönste Zimmer haben unserer Meinung nach jedoch Ute und Rita erwischt. Es liegt im 1. Stock und hat eine Flügeltüre, die auf eine kleine öffentliche Terrasse mit Bankerl aufgeht. Sehr nett!
Nach ein wenig frisch machen treffen wir uns, um gemeinsam Abendessen zu gehen. Schon Carlos hat uns das Restaurant Zig Zag sehr empfohlen. Auf heißem Lavastein gegrilltes Fleisch soll zu den Spezialitäten der Umgebung hier zählen. Na das wollen wir jetzt aber schon probieren!
Tatsächlich sind wir schon nach wenigen Schritten dort - die Casa de Melgar liegt für Erkundungen Arequipas wirklich sehr ideal - und nehmen an dem für uns reservierten Tisch Platz.
Restaurant Zig Zag |
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Restaurant Zig Zag |
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Nach ausgiebigem Studium der wirklich feinen Speisekarte entscheidet sich Alexander für eine Trilogia di Carnes und Karin wählt Anticuchos di Camarones. Beide Speisen sind sehr lecker!
Die Krabbenspießchen sind zart und die Beilagen sehr gut und die Fleischstückchen von Strauß, Alpaca und Rind bruzeln tatsächlich noch auf dem heißen Stein als sie serviert werden.
Für Helga gibt es zum Abschluss anstelle einer Geburtstagstorte Schokomousse mit Wunderkerze und ein neuerliches Ständchen.
Satt und zufrieden verlassen wir ein paar Stunden später dieses wirklich empfehlenswerte Lokal und freuen uns, dass es bis in unsere Betten nur ein paar Schritte sind.
So, gute Nacht jetzt! Schnell ausruhen, damit wir morgen fit sind für die vielen Abenteuer, die wir hier in Arequipa erleben werden.